Schau dir beispielsweise dieses Bild an. Schief, klar. Aber bearbeitet. Trotzdem schief. Obwohl man doch immer sagt, du musst den Horizont gerade richten. Aber es geht auch so.
Oder das. Manch einer würde sagen, es ist verwackelt. Nein ist es nicht. Der Mann bewegt sich und die Belichtungszeit war absichtlich so gewählt, dass man die Bewegung erkennt. Es ist ja schließlich ein Foto, ein Moment und kein Video. Ein Bild muss also nicht scharf sein.
Schärfe. Das ist ein gutes Stichwort. Heute betreiben viele sogenanntes Pixelpeeping. Sie vergrößern so lange, 100%, 200% oder gar 400%, bis man jedes einzelne Pixel erkennt, auf der Suche nach der Schärfe, die natürlich in der Vergrößerung zur Makulatur werden muss. Ist Schärfe der Schlüssel zu einem guten Bild? Ja, irgendwie schon. Aber warum? Das war doch vor der Einführung digitaler Kameras auch nicht so und niemand würde behaupten, dass Bresson ein schlechter Fotograf war. Obwohl man in seinen Fotografien lange nach der Schärfe suchen musste.
Was ich damit sagen will: Regeln sind ja nett. Sie sind aber nur so gut oder so schlecht, wie diejenigen, die sich daran stoßen und meinen (ihrer Meinung nach), dass sich das anders gehört. Letztenendes ist das immer eine Frage des Betrachters. Manche finden Joseph Beuys total toll. Ich fange mit seiner Art der Kunst nichts an. Manche stehen minutenlang vor einem Gemälde, sind total fasziniert und andere wiederum gehen achtlos vorbei.
Ah, da fallen mir gerade ein paar Bilder ein, die mir meine liebe Frau gestern aus Italien geschickt hat.
Übrigens mit einem iPhone 8 aufgenommen und nur geringfügig nachbearbeitet. Warum eigentlich? Musste das sein? Nein, musste nicht. Hatte halt Lust darauf ;-). Beeindruckend oder?
Es scheint also so zu sein, dass wir gefangen in unseren Gewohnheiten und dem Vertrauten uns ganz bewusst dazu entscheiden, etwas nicht zu tun. Oder es eben genau aus diesem Grunde doch tun.
Und da sollten wir uns gar keine Kopf darüber machen. Wenn jemand schiefe Bilder toll findet, dann ist das so. Punkt. Niemand hat das zu kritisieren. Außer, er wird nach seiner Meinung gefragt (an dieser Stelle wieder der Hinweis, das ich nicht gendere - weil ich das nicht muss und nicht will und selbst wenn ich es müsste, würde ich es nicht tun).
Wir sollten alle ein bisschen freier werden. Oder besser: UNS FREIMACHEN. Freimachen von der Last allzu vieler Regeln. Wir sind uns einig, Regeln müssen sein. Aber wenn sie unser Leben nur noch einschränken, uns die Luft zum Atmen nehmen, dann sollten wir aufhorchen. Atmen müssen wir übrigens nicht müssen. Das ist ein Reflex, aber du kannst ihn unterdrücken. Ok, wenn du nicht mehr atmest, dann stirbst du. Das musst du dann wohl auch. Das ist die Konsequenz deiner Entscheidung, nicht mehr zu atmen.
Eigentlich verweigere ich mittlerweile das Impfthema, dennoch ist es ein schönes Beispiel für Freiheit.
Jemand entscheidet sich gegen die Impfung. Das darf er, denn sie ist freiwillig. Er trifft also eine ganz eigene Entscheidung (siehe oben), denn er MUSS sich nicht impfen lassen. Also muss er als Konsequenz damit leben, dass er die eine oder andere Einschränkung erfährt. Wer sich dafür entscheidet, muss mit kurzfristigen Nebenwirkungen leben. Wir haben also auch hier die Freiheit, uns selbst zu entscheiden. Sollte eine Impfpflicht für Berufe im Gesundheitswesen eingeführt werden, dann hat jeder die freie Wahl, seinen Job zu behalten oder etwas anderes zu machen. Seine Entscheidung. Will er seinen Job behalten, muss er sich eben für die Impfung entscheiden. Jeder kann das tun, was ihm wichtig erscheint. Je nach eingeschlagenem Lebensweg.
Sicher kann man darüber stundenlang diskutieren und wird zu keinem tragfähigem Ergebnis kommen. Zu unterschiedlich sind die Menschen mit ihren Auffassungen und Interpretationen.
Aber genau das MUSS auch nicht sein. Wir können doch Freunde bleiben. Nur weil jemand eine andere Auffassung von einem Lebensweg hat, muss man sich doch nicht gleich prügeln und auf die Straße gehen, um damit andere in ihrer Freiheit zu beschränken, wie selbstverständlich.
Und so ist das - wir sind ja schließlich im Themenfeld der Fotografie - schließlich auch mit dieser selbst.
Jeder Fotograf kann frei entscheiden, ob er ein Bild unter-, korrekt- oder überbelichtet. Beispielsweise bezeichnet man "korrekt" überbelichtete Bilder als High Key - Fotografie. Wenn dir das gefällt, dann mach es. Du darfst dem Ding ruhig den richtigen Namen geben.
Fazit
Langer Rede - kurzer Sinn. Mach, was du willst. Regeln zu kennen ist gut. Sie bewusst zu umgehen, ist auch gut. Regeln umzusetzen ist gut, sie zu umgehen unterscheidet dich von der Masse und macht ein Bild u.U. interessant. Willst du deine Bilder verkaufen, darfst du getrost damit leben, dass deine Bilder nicht dem Zeitgeist entsprechen und niemand sie schön findet. Ist dann halt so. Das mag dir gefallen oder nicht. Egal. Viele Künstler sind erst nach ihrem Tod wirklich berühmt geworden. Alles ist nur eine Frage der Zeit.
Ich wünsche dir noch eine gelassene Woche.
©Jürgen Pagel 2021 LICHTWERK.DESIGN
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