Was DU als Einsteiger in die Fotografie brauchst

Jürgen Pagel

Was Du als Einsteiger in die Fotografie brauchst (und was nicht).

Die Ersten werden einwerfen, dass es viel mehr als ein Handy nicht braucht. Richtig. Stimmt. Kommt dennoch darauf an. Willst Du ein bisschen Spaß haben und coole Bilder machen, ist das Handy der Schlüssel, den Du nahezu stündlich in der Hand hältst - deswegen heißt es ja auch Handy. Die Qualität ist gut, aber nicht sehr gut. Im direkten Vergleich schneidet ein Handy deutlich schlechter ab, als eine APS-C- oder gar Vollformat-Kamera. Und das ist auch vollkommen in Ordnung. Es kommt darauf an, was DU willst und welches Ziel Du verfolgst. Darüber solltest Du Dir vor jedem Invest im Klaren sein.

Aber darum geht es hierbei nicht. Ich wende mich an den Hobbyisten, den Einsteiger, der die Fotografie als etwas auserkoren hat, das ihm voraussichtlich sehr viel Freude bereiten wird und für das er nicht zwingend tausende von Euro ausgeben muss (sollte). Wenn Du Dich angesprochen fühlst, dann kannst Du weiterlesen - wenn nicht, hörst Du einfach an dieser Stelle auf.

Im Grunde benötigst Du 6 Dinge.
  • eine Kamera
  • ein, zwei Objektive
  • einen Kameragurt und/ oder eine Handschlaufe
  • einige Ersatzakkus
  • ein Ladegerät
  • ein Stativ
  • (vielleicht noch ein Tasche, in der Du die Sachen verstauen kannst)
Die Kamera
Die Auswahl ist riesig. Manche sind wirklich klasse, andere weniger gut. Schau einfach mal bei YouTube oder in Vergleichstest der verschiedenen Hersteller und Anbieter. Fotofachgeschäfte sind prinzipiell nicht die schlechteste Wahl. Hier steht und fällt eine Entscheidung allerdings in Abhängigkeit der Kompetenz des Beraters bzw. Verkäufers. MediaMarkt oder Saturn halte ich dabei eher für eine schlechte Alternative.
Ich habe mit Canon begonnen - eine "alte" 1300D. Die verrichtet auch heute noch klaglos ihren Dienst. Die Objektive sind "naja", der Autofokus ist recht lahm (für heutige Verhältnisse), aber für den Anfang reicht das allemal aus. Die bekommst Du schon ab ca. 200 Euro in gutem gebrauchen Zustand bei ebay.

Du willst eine Empfehlung? Dann kaufe Dir eine Fujifilm X-E4. Sie ist die klitzekleine Schwester der X-T4. Abgespeckt und wenig belegbare Tasten, aber ideal für Einsteiger und ambitionierte Fotografen gleichermaßen, erlaubt sie doch über das gut bedienbare Menü alle Einstellungen, die das Herz begehrt. Ideal für alle Arten der Fotografie, wo Qualität ebenso gefragt ist, wie nicht zu sehr aufzufallen (Streetphotography beispielsweise). Und Fujifilm's JPEG-Rezepte sind nahezu legendär. Handlich (für sehr große Hände eher etwas zu klein), praktisch, passt mit einem 23er Objektiv in die Jackentasche.

Die Sensortechnologie ist auf dem neusten Stand und mit der Möglichkeit, Objektive zu wechseln, finde ich sie besser, als die X100V (zumal sie günstiger ist). Aktueller Gebrauchtpreis liegt bei ca. 600-700 Euro Body only. Aktueller Neupreis ca. 1.000 Euro mit 27mm f/2.8 bei Leistenschneider. Hier meine mit einer Erweiterung des Handgriffs (wegen meinen großen Händen).


Das Objektiv oder die Objektive

Alle Anbieter haben mittlerweile sehr gute Zoom-Objektive. Das sind solche, bei denen sich die Brennweite einstellen lässt. Du hast also die stufenlose Wahl zwischen beispielsweise 18 und 55mm. Der Nachteil bei den preiswerteren Varianten ist in aller Regel die variable Lichtstärke. Das hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Art der Freistellung, auf das Bokeh. Meist beginnen sie bei 2.0 und gehen dann bis teilweise 5.6. Für den Einsteiger jedoch finde ich das unerheblich. Ein solches Zoom-Objektiv ist ein Allrounder und für viele Gelegenheiten mehr als ausreichend. Lass Dich nicht von dem Begriff Kit-Objektiv beeinflussen. Sie werden fast immer als schlecht klassifiziert. Dieser Ruf hängt ihnen aber zu Unrecht an. Viele Kit-Objektive sind von einer hervorragenden Qualität und für's Erste vollkommen in Ordnung. Ein weiterer Vorteil: es ist gleich dabei und Du kannst nach dem Erhalt der Kamera gleich loslegen.

Ein sehr gutes Zoom-Objektiv ist bei Fujifilm beispielsweise das 18-55mm f/2.8-4.0. Sehr gute Abbildungsleistung, hoher Schärfebereich und sehr solide verarbeitet. Neu allerdings auch nicht gerade günstig. Ein solches Objektiv schlägt mit 650 Euro ein Loch in den Geldbeutel. Aber es ist ein gutes Invest, zumal es auch noch stabilisiert ist (OIS)! Denn der Sensor der X-E4 verfügt über keine Stabilisierung (kein IBIS). Das 18-55er an einer IBIS-X-T4 ist ein Traum. Aus der Hand (also ohne Stativ) sind auch Belichtungszeiten von mehr als 1/30 immer noch händelbar.


Sollte nun Dein Geldbeutel immer noch zu schwer sein, empfehle ich Dir ein oder zwei Festbrennweiten - gerne auch zum manuellen Fokussieren. Die sind nämlich gegenüber den Autofokus-Varianten um einiges günstiger.

Zum Beispiel das TTArtisan 50mm f/1.2. Grandiose Lichtstärke. Alles in allem ein sehr gutes Objektiv, dass im offenblendigen Bereich (1.2 bis 1.4) Schwächen hinsichtlich der chromatischen Aberrationen zeigt, aber das hat fast jedes Objektiv mehr oder weniger ausgeprägt. Diese lassen sich in der Nachbearbeitung mittels Lightroom oder Luminar gut entfernen. Preis ca. 130 Euro. Beachte, dass es sich dabei um ein rein manuell zu fokussierendes Objektiv handelt.

Auch Viltrox versteht es zwischenzeitlich, hervorragende Objektive zu fertigen. Nennenswert sind das 56mm f/1.4 mit Autofokus. Preis ca. 290 Euro. Und wenn Du dann immer noch Platz in der Tasche hast, ist ein 23mm f/1.4 (ebenfalls mit sehr schnellem Autofokus) des gleichen Herstellers ein wirklich gute Wahl und damit bist Du dann für den Anfang sehr gut eingedeckt.


Kleinkram

Was braucht es noch? Eine Handschlaufe macht echt Sinn. Du trägst da immerhin Equipment für mehr als 1.600 Euro mit Dir herum. Klar, kann man versichern. Ärgerlich ist es allemal, wenn Dir die Kamera aus der Hand fällt und es gibt kaum einen Fotografen, dem das nicht schon passiert ist (meistens kauft man sich anschließend eine Handschlaufe). Es gibt verschiedene Systeme. Das Beste? Peak Design. Klare Empfehlung. Die Anker sind unauffällig, halten sehr lange bis ewig und verschiedene Gurtsysteme können schnell gewechselt werden. Dazu noch einen verstellbaren Gurt und so hast Du alle Tragemöglichkeiten dieser Welt mit dem gleichen Befestigungssystem.

Handschlaufe von Peak Design unter 40 Euro.

Gurt von Peak Design ca. 50 Euro.

Akkus

Nichts ist schlimmer, als wenn Dir unterwegs der Saft ausgeht. In aller Regel reicht so ein Akku in der Fujifilm X-E4 für 300 bis 400 Bilder. Aber wenn Du den ganzen Tag unterwegs bist oder einmal vergisst, die Kamera auszuschalten, dazu noch im Winter, wo die Akkuleistung sowieso reduziert ist, geht die Leistung eher in die Knie, als Dir lieb ist. Deswegen spare nicht an den Akkus. Das wäre definitiv der falsche Ansatz. Die gibt es von freien Herstellern. 2 Stück inkl. Ladegerät bei dem bekannten Versandhändler für 30 Euro. Apropos Ladegerät. So schaut das aus.

Und das sind die Akkus.

Das Stativ

Falls Du Dich bei Freihandaufnahmen wunderst, wieso die Bilder einfach nicht scharf werden wollen, solltest Du entweder über kürzere Belichtungszeiten oder über ein Stativ nachdenken. So ein Stativ ist in vielerlei Hinsicht hilfreich. Du kannst Deine Kamera auch über längere Strecken damit auf der Schulter tragen und Du kannst relativ sicher sein (korrekte Bedienung vorausgesetzt), dass nichts verwackelt. Langzeitbelichtungen beispielsweise sind ohne ein stabiles und gutes Stativ nicht denkbar. Rollei bietet hier für unter 100 Euro wirklich gute Alternativen.

Lass die Finger von Billigstativen, die sich angeblich unglaublich klein verpacken lassen und ganz viele Verschlüsse haben, damit das Ding wenigstens auf 1,30 Meter Höhe kommt. Erstens ist das zu niedrig und zweitens ist jede schraubbare Verbindung ein Instabilitätsgarant, weil die Beinchen mit jedem Einschub immer dünner werden. Und es ist mehr als ärgerlich, wenn ein Stativ genauso wackelt, wie Deine Kamera bei einer freihändigen Aufnahme. Und wenn das Ding mit Deiner Kamera obenauf umfällt, hast Du definitiv nichts gewonnen. Unter 100 Euro gibt es nicht wirklich gute Stative.


Zu guter Letzt ... die Speicherkarten
Nimm das schnellste, was Du für kleines Geld bekommen kannst. Achte v.a. auf die Schreibgeschwindigkeit. Für eine hohe Lesegeschwindigkeit kannst Du Dir nichts kaufen. Je langsamer die Schreibgeschwindigkeit, umso mehr Daten muss Deine Kamera intern Puffern und das kann bei Serienbildaufnahmen sehr hinderlich sein. 64 GB sollte das kleinste sein, 128 GB sind perfekt, denn Speicherplatz kann man nie genug haben. Mittlerweile sind diese Karten richtig teuer geworden. Gute Karten liegen bei ca. 25-30 Euro/ Stück, bisweilen auch mal darüber. 4-5 solltest Du Dein haben. Und vergiss nicht, die Karten IN DEINER KAMERA zu formatieren. Sonst könnte es sein, dass Du bei dem Versuch, Deine Bilder zu betrachten eine böse Überraschung erlebst.

Fazit

So, ich hoffe nichts vergessen zu haben. Wenn doch, schreib mir einfach. Lass uns das alles mal zusammenzählen:

  • Kamera ca. 1.000 Euro
  • Objektiv 1 ca. 600 Euro
  • Objektiv 2 ca. 130 Euro
  • Objektiv 3 ca. 300 Euro
  • Objektiv 4 ca. 400 Euro
  • Kleinkram ca. 110 Euro
  • Stativ ca. 100 Euro
  • Speicherkarten ca. 150 Euro

Macht alles zusammen realistische 2.690 Euro. Ziehst Du die Objektive 2-4 ab, die Du zu Beginn nicht zwingend brauchst, liegst Du unter 2.000 Euro. Und eines hast Du sicher gemerkt, das teuerste ist echt die Kamera. Spare nicht an den Objektiven. Die begleiten Dich u.U. ein Leben lang (außer Du lässt sie fallen) und sie machen die Qualität des Bildes aus. Es nutzt Dir gar nichts, wenn Du eine 56MP Kamera für 5.000 Euro kaufst und Dir dann für gute Objektive das Geld nicht mehr reicht. Mache nicht die gleichen Fehler, wie fast alle, die mit dem Fotografieren begonnen haben. Wenn Du Dir für 1.000 Euro Objektive zulegst, mit deren Abbildungsleistung Du letztendlich nicht zufrieden bist, gibst Du mindestens noch einmal das Doppelte aus. Nirgends anders als hier gilt so sehr: Wer billig kauft, kauft zweimal.


© Jürgen Pagel 2022 LICHTWERK.DESIGN

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