Die zweite Phase bildet zumeist den eigentlichen Einstieg in die Fotografie. Du bist (zufällig) am richtigen Ort zur richtigen Zeit und machst ein richtig gutes Foto. Das finden andere auch. Und das macht Dich stolz, es motiviert Dich und führt dazu, dass Du mehr Bilder machst. Und wieder bist Du zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und wieder prasselt das Lob auf Dich herab. Jetzt fühlst Du Dich als richtiger Fotograf, planst das erste Shooting. Und es geht schief.
Du suchst nach Ausreden. Das Wetter, das Model, die Location usw.. Was Dir in diesem Moment fehlt, ist die nötige Selbstreflexion. Du machst also das nächste Shooting und wieder geht es daneben.
Was jetzt folgt, ist eine Frage des Charakters. Die einen geben an diesem Punkt auf, wollten sowieso nie richtig fotografieren und Fotografie ist eigentlich auch gar nicht ihr Ding.
Die anderen sagen sich, „jetzt erst recht“ und beginnen sich, ernsthaft mit der Fotografie und allem was dazu gehört, auseinanderzusetzen. Und der nächste Schritt ist eigentlich immer derselbe – zumindest bei den Männern: Du kaufst eine neue Kamera. Und Du merkst recht schnell, dass Deine Bilder immer noch nicht wirklich besser werden. Obwohl es Dir viele Fotografen immer wieder erklären, glaubst Du es nicht wirklich: Der Schlüssel liegt tatsächlich in der Objektivwahl. Du kaufst Dir Deine erste 85er-Festbrennweite und Deine Portraits werden besser. Architektur-Fotografie wird mit einem 13mm-Objektiv zu einem Erlebnis.
Und wieder entscheidet der Charakter über das weitere Vorgehen. Gehörst Du zu denjenigen, die nun lieber Videos und Tutorials schauen, anstatt rauszugehen und zu fotografieren? Oder nutzt Du jede erdenkliche Gelegenheit, um Fotos zu machen und Dich kontinuierlich zu verbessern? Letzteres wäre wohl die bessere Wahl. Was nicht bedeutet, dass Du Dir nicht zwischendurch mal ein paar Videos anschaust und Dir Anregungen bei anderen Fotografen holst.
Die dritte Phase ist die sogenannte Software-Phase. Du beginnst die Bildbearbeitung für Dich zu entdecken und löst Dich von kostenlosen Programmen wie Gimp o.ä.. Was folgt sind professionelle Programme wie beispielsweise Adobe Photoshop und/ oder Adobe Lightroom. Und plötzlich sehen Deine Fotos anders aus. Du ziehst alle Register und übertreibst es meistens maßlos. Der Ratschlag, dieses nicht zu tun, ist sinnbefreit. Jeder hat schon mal den Klarheitsregler nach oben gezogen und fand das Ergebnis großartig. Keine Sorge, das geht wie alle Phasen vorbei.
Die vierte Phase ist die Stil-Findungs-Phase. Das bedeutet, dass Du auf der Suche nach Deinem eigenen, unverkennbaren Stil bist, damit sich Deine Bilder, von denen der Masse unterscheiden. Das will lange nicht gelingen. Du versuchst es über Presets. Die passen jedoch selten zu den eigenen Bildern. Auch der Look, den bestimmte Objektive vermitteln, wird dankend angenommen. Spätestens hier ist der Punkt, an dem viele Fotografen zum sogenannten Altglas, den alten Scherben greifen, weil die so einen tollen Look machen. Man bedenke. Der geneigte Fotograf kauft sich eine Kamera für 3.000 Euro und mehr, gespickt mit modernster Technik und verwendet daran ein mehr als 50 Jahre altes Objektiv. Finde den Fehler. Klar kann man sich das Schönreden. Blödsinnig bleibt es dennoch.
Erfahrungsgemäß dauert das mit dem eigenen Stil bisweilen Jahre. Aber er wird kommen. Versprochen.
Die vorletzte, die fünfte Phase ist die des Plateaus. Das ist wie beim Sport. Irgendwann erreichst Du ein Plateau. Je mehr Du fotografierst, umso früher erreichst Du diese Phase.
Was Dir fehlt, ist Varianz, Progression und Kontinuität. Das sind übrigens die drei Meilensteine des Trainings.
Varianz: Mache mal etwas anderes. Probiere Dich an anderen Brennweiten, fotografiere Landschaften statt Portraits, setzte Dir jeden Tag ein anderes Ziel usw..
Progression: Fordere Dich selbst heraus. Beginne Projekte, für die Du etwas Neues lernen musst, die (eigentlich) zu schwierig für Dich sind und die Du nur schaffst, wenn Du Dich richtig hineinkniest.
Kontinuität: Bleib‘ am Ball, lass‘ Dich nicht beirren. Nicht durch andere und nicht durch Deine eigenen Zweifel.
Die letzte,
die sechste Phase kennt sehr wahrscheinlich nahezu jeder Fotograf aus eigener Erfahrung (ich übrigens auch – wie alle anderen Phasen davor). Sie ist geprägt von herben Kreativitätsverlusten, Phasen der Lustlosigkeit und dem Zweifel am eigenen Handeln. Welche der nachfolgenden Möglichkeiten, aus dem Tal des Grauens wieder herauszukommen, die bessere ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Den einen hilft die eine und dem anderen die andere.
Die erste Möglichkeit ist die der Akzeptanz. Es ist wie es ist und wird nicht anders, wenn man sich ständig dagegen wehrt. Diese Phase geht vorbei – wie alle anderen auch.
Die zweite Möglichkeit ist, in ein Projekt einzusteigen - idealerweise eines, dass (eigentlich) zu schwierig für Dich und Dein Können ist. Und das ziehst Du durch, koste es was es wolle.
Hauptsache Du kommst aus der Gewohnheit raus und machst mal etwas anderes.
Fazit
Das Fotografieren ist von verschiedenen Phasen geprägt. Nahezu jeder Fotograf hat mindestens zwei dieser Phasen bereits in seiner Laufbahn kennengelernt und ist mehr oder weniger gut damit zurechtgekommen. Im Grunde ist und bleibt es sportlich. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Einem Anstieg folgt ein Plateau, dem Plateau folgt ein Tal, bevor es wieder bergauf geht – bis zum nächsten Plateau. Das, was am wenigsten hilft, ist neues Equipment. Zumindest brauchst Du nicht zwingend eine neue Kamera. Investiere lieber in gute Objektive. Aber das weißt Du ja schon.
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