Die sechs Phasen der Fotografie

Jürgen Pagel

Die sechs Phasen der Fotografie

Ich habe sie, Du hast sie und viele andere haben sie auch durchlaufen – die unterschiedlichen Phasen der Fotografie.

Die erste Phase ist die der Selbstüberschätzung. Du lobst Deine eigenen Bilder. Du schreibst bei fast jedem Bild dazu, wie großartig das ist. Merke: Wenn Du bei einem Deiner Bilder dazuschreibst, wie großartig es ist, ist es genau das nicht. Mache das also bitte nicht. Schreibe, wie super das Modell oder wie großartig die Landschaft war. Aber nicht mehr.

Die zweite Phase bildet zumeist den eigentlichen Einstieg in die Fotografie. Du bist (zufällig) am richtigen Ort zur richtigen Zeit und machst ein richtig gutes Foto. Das finden andere auch. Und das macht Dich stolz, es motiviert Dich und führt dazu, dass Du mehr Bilder machst. Und wieder bist Du zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und wieder prasselt das Lob auf Dich herab. Jetzt fühlst Du Dich als richtiger Fotograf, planst das erste Shooting. Und es geht schief.
Du suchst nach Ausreden. Das Wetter, das Model, die Location usw.. Was Dir in diesem Moment fehlt, ist die nötige Selbstreflexion. Du machst also das nächste Shooting und wieder geht es daneben.

Was jetzt folgt, ist eine Frage des Charakters. Die einen geben an diesem Punkt auf, wollten sowieso nie richtig fotografieren und Fotografie ist eigentlich auch gar nicht ihr Ding.
Die anderen sagen sich, „jetzt erst recht“ und beginnen sich, ernsthaft mit der Fotografie und allem was dazu gehört, auseinanderzusetzen. Und der nächste Schritt ist eigentlich immer derselbe – zumindest bei den Männern: Du kaufst eine neue Kamera. Und Du merkst recht schnell, dass Deine Bilder immer noch nicht wirklich besser werden. Obwohl es Dir viele Fotografen immer wieder erklären, glaubst Du es nicht wirklich: Der Schlüssel liegt tatsächlich in der Objektivwahl. Du kaufst Dir Deine erste 85er-Festbrennweite und Deine Portraits werden besser. Architektur-Fotografie wird mit einem 13mm-Objektiv zu einem Erlebnis.


Und wieder entscheidet der Charakter über das weitere Vorgehen. Gehörst Du zu denjenigen, die nun lieber Videos und Tutorials schauen, anstatt rauszugehen und zu fotografieren? Oder nutzt Du jede erdenkliche Gelegenheit, um Fotos zu machen und Dich kontinuierlich zu verbessern? Letzteres wäre wohl die bessere Wahl. Was nicht bedeutet, dass Du Dir nicht zwischendurch mal ein paar Videos anschaust und Dir Anregungen bei anderen Fotografen holst.


Die dritte Phase ist die sogenannte Software-Phase. Du beginnst die Bildbearbeitung für Dich zu entdecken und löst Dich von kostenlosen Programmen wie Gimp o.ä.. Was folgt sind professionelle Programme wie beispielsweise Adobe Photoshop und/ oder Adobe Lightroom. Und plötzlich sehen Deine Fotos anders aus. Du ziehst alle Register und übertreibst es meistens maßlos. Der Ratschlag, dieses nicht zu tun, ist sinnbefreit. Jeder hat schon mal den Klarheitsregler nach oben gezogen und fand das Ergebnis großartig. Keine Sorge, das geht wie alle Phasen vorbei.

Die vierte Phase ist die Stil-Findungs-Phase. Das bedeutet, dass Du auf der Suche nach Deinem eigenen, unverkennbaren Stil bist, damit sich Deine Bilder, von denen der Masse unterscheiden. Das will lange nicht gelingen. Du versuchst es über Presets. Die passen jedoch selten zu den eigenen Bildern. Auch der Look, den bestimmte Objektive vermitteln, wird dankend angenommen. Spätestens hier ist der Punkt, an dem viele Fotografen zum sogenannten Altglas, den alten Scherben greifen, weil die so einen tollen Look machen. Man bedenke. Der geneigte Fotograf kauft sich eine Kamera für 3.000 Euro und mehr, gespickt mit modernster Technik und verwendet daran ein mehr als 50 Jahre altes Objektiv. Finde den Fehler. Klar kann man sich das Schönreden. Blödsinnig bleibt es dennoch.
Erfahrungsgemäß dauert das mit dem eigenen Stil bisweilen Jahre. Aber er wird kommen. Versprochen.


Die vorletzte, die fünfte Phase ist die des Plateaus. Das ist wie beim Sport. Irgendwann erreichst Du ein Plateau. Je mehr Du fotografierst, umso früher erreichst Du diese Phase.

Was Dir fehlt, ist Varianz, Progression und Kontinuität. Das sind übrigens die drei Meilensteine des Trainings.
Varianz: Mache mal etwas anderes. Probiere Dich an anderen Brennweiten, fotografiere Landschaften statt Portraits, setzte Dir jeden Tag ein anderes Ziel usw..

Progression: Fordere Dich selbst heraus. Beginne Projekte, für die Du etwas Neues lernen musst, die (eigentlich) zu schwierig für Dich sind und die Du nur schaffst, wenn Du Dich richtig hineinkniest.

Kontinuität: Bleib‘ am Ball, lass‘ Dich nicht beirren. Nicht durch andere und nicht durch Deine eigenen Zweifel.


Die letzte, die sechste Phase kennt sehr wahrscheinlich nahezu jeder Fotograf aus eigener Erfahrung (ich übrigens auch – wie alle anderen Phasen davor). Sie ist geprägt von herben Kreativitätsverlusten, Phasen der Lustlosigkeit und dem Zweifel am eigenen Handeln. Welche der nachfolgenden Möglichkeiten, aus dem Tal des Grauens wieder herauszukommen, die bessere ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Den einen hilft die eine und dem anderen die andere.
Die erste Möglichkeit ist die der Akzeptanz. Es ist wie es ist und wird nicht anders, wenn man sich ständig dagegen wehrt. Diese Phase geht vorbei – wie alle anderen auch.

Die zweite Möglichkeit ist, in ein Projekt einzusteigen - idealerweise eines, dass (eigentlich) zu schwierig für Dich und Dein Können ist.  Und das ziehst Du durch, koste es was es wolle.

Hauptsache Du kommst aus der Gewohnheit raus und machst mal etwas anderes.


Fazit

Das Fotografieren ist von verschiedenen Phasen geprägt. Nahezu jeder Fotograf hat mindestens zwei dieser Phasen bereits in seiner Laufbahn kennengelernt und ist mehr oder weniger gut damit zurechtgekommen. Im Grunde ist und bleibt es sportlich. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Einem Anstieg folgt ein Plateau, dem Plateau folgt ein Tal, bevor es wieder bergauf geht – bis zum nächsten Plateau. Das, was am wenigsten hilft, ist neues Equipment. Zumindest brauchst Du nicht zwingend eine neue Kamera. Investiere lieber in gute Objektive. Aber das weißt Du ja schon.


©2025 Jürgen Pagel

Neunzehn58 Photographie

Sezifikationsdaten der Fujifilm X-H2
von Jürgen Pagel 18. April 2025
In einer Welt, in der Kameras in technischer Hinsicht immer ähnlicher werden, gelingt es Fujifilm, aus der Masse hervorzustechen – nicht nur durch beeindruckende Technik, sondern auch durch ein ganz besonderes fotografisches Erlebnis. Als Besitzer der Fujifilm X100VI und X-H2 kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Diese Kameras begeistern nicht nur durch ihre 40 Megapixel Auflösung, sondern durch eine nahezu magische Verbindung aus Bildqualität, Design und Emotion.
Aufmerksamer Hund in Pose als Portrait
von Jürgen Pagel 18. April 2025
Das 50mm-Objektiv gilt nicht ohne Grund als einer der beliebtesten Brennweitenklassiker in der Fotografie. Leicht, kompakt, lichtstark und vielseitig einsetzbar – es begleitet Fotograf:innen seit Jahrzehnten durch alle Genres. Doch wie verhält sich das beliebte „Normalobjektiv“ an unterschiedlichen Sensorgrößen, insbesondere im Vergleich von APS-C zu Vollformat? Und welche Motive lassen sich damit besonders wirkungsvoll in Szene setzen?
KI generiertes Model
von Jürgen Pagel 13. April 2025
H&M nutzt neuerdings künstliche Intelligenz, um digitale Doppelgänger von 30 Models zu erstellen, die in Marketingkampagnen und sozialen Medien eingesetzt werden sollen Diese Entwicklung wirft Fragen zur Zukunft von Fotografen, Stylisten und Models auf, da die digitalen Avatare potenziell die Nachfrage nach realen Modellen reduzieren könnten Die Models selbst können jedoch über ihre digitalen Doppelgänger bestimmen, sie für virtuelle Shootings zu nutzen und an andere Marken zu verkaufen Trotzdem machen Agenturen in Berlin große Sorgen, da sie beobachten, dass Kunden vermehrt Anfragen stellen, um sich weitreichende Bild- und Persönlichkeitsrechte vertraglich zu sichern und diese dann für KI-Anwendungen zu verwenden. Ohne klare gesetzliche Grundlagen ist es schwierig, fundierte und nachhaltige Entscheidungen zu treffen oder Schutzmechanismen zu etablieren.
Leica Kamera M9
von Jürgen Pagel 13. April 2025
Der Begriff „Leica-Look“ ist ein regelrechter Mythos unter Fotografen – geliebt, diskutiert, manchmal auch belächelt. Ja, viele sagen: Den Leica-Look gibt es. Aber er ist kein rein technisches Phänomen, sondern ein Zusammenspiel aus Optik, Sensorcharakteristik, Farbwiedergabe – und einer gewissen Portion Subjektivität und Markenmystik.
Fujifilm X100VI
von Jürgen Pagel 6. April 2025
Die Fujifilm X100VI (mittlerweile ist sie wieder problemlos verfügbar) ist eine Edel-Kompaktkamera mit einem 40 MP-Sensor und Objekterkennung. Sie nutzt den gleichen Sensor wie die X-H2 und die X-T5. Die Bildqualität ist herausragend, die fast schon legendären Filmsimulationen von Fujifilm stets eine gute Wahl für JPEG-Enthusiasten. Die Kamera ist für Einsteiger in das Fujifilm-System ebenso geeignet, wie für ambitionierte Hobbyfotografen oder für Profis als Backup-Kamera.
Model als KI
von Jürgen Pagel 5. April 2025
Künstliche Intelligenz (KI bzw. AI) verändert die Fotografie bereits heute massiv – von der Planung über die Aufnahme bis zur Nachbearbeitung. Für dich als Fotograf eröffnet das riesige Chancen, wenn man die Entwicklungen versteht und gezielt nutzt.
Vintage Kamera
von Jürgen Pagel 1. April 2025
Wenn Hersteller Produkte in kurzen Zyklen auf den Markt bringen, nennt man dies oft "agiles Produktmanagement" oder "frequente Produkteinführungen". Dieser Ansatz ermöglicht es Unternehmen, schneller auf Marktänderungen und Kundenfeedback zu reagieren und ständig ihre Produkte zu optimieren. Sollte man meinen.
Schachspieler mit Strategie
von Jürgen Pagel 27. März 2025
Strategisch zu Fotografieren ist keineswegs eine Vorgehensweise von Kriegsberichterstattern, sondern ein Muss, wenn Fotografieren jedweder Art schnell und zuverlässig gehen soll. Schnell gehen soll es bei der Food-Photography, denn wenn Essen lange steht, wird es unappetitlich und unansehnlich. Schnell gehen muss es auch manchmal in der Street-Photography, denn der eine entscheidende Moment kommt so schnell nicht wieder.
Abitur
von Jürgen Pagel 24. März 2025
Die Agentur taucht ab und zieht den Kopf ein. Postalische Versuche, diese zu kontaktieren, laufen ins Leere. Ein lohnenswertes Video von ACHTUNG ABZOCKE, das wieder einmal die Abgründe von Geschäftsgebaren zeigt. Die begangene Urheberrechtsverletzung durch Verwendung von nicht genehmigten Videomaterial eines US-amerikanischen Unternehmens wird die vermeintliche Agentur auf jeden Fall sehr teuer zu stehen kommen. Ich persönlich kann und werde nicht für die gesamte Fotografie- und Agenturbranche sprechen.
Passbild in unterschiedlichen Ausführungen
von Jürgen Pagel 19. März 2025
Es gab jedoch vermehrt Klagen von Fotografen, die auf eine große Unklarheit hinsichtlich der neuen Vorgehensweise bei der Erstellung von Passfotos hinweisen, obwohl diese Neuregelung bereits im Oktober 2023 angekündigt wurde. Neu ist, dass es in den Behörden die Möglichkeit geben soll, das Passbild vor Ort machen zu lassen. Ab Mai 2025 können Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden, ob sie das Foto für ihr Ausweisdokument bei einem Fotografen im Fotostudio oder in der Pass- und Ausweisbehörde erstellen lassen. Für Personalausweis und Reisepass gelten vorübergehend andere Regeln als für den Führerschein oder einen Behindertenausweis. Für den Personalausweis ist eine E-Foto erforderlich, d. h. die Fotos werden nicht mehr ausgedruckt, sondern via einer sicheren Datenverbindung elektronisch an das jeweilige Amt übertragen. Ab Mai 2025 benötigen Fotografen neben der Zertifizierung eine bestimmte Software zum Versenden der Daten in eine Cloud.
Weitere Beiträge