Vom Augenblick der Fotografie

Jürgen Pagel

Vom Augenblick der Fotografie

Fotografie ist nicht nur das Malen mit Licht, sondern vor allem das Festhalten eines Augenblicks. Eines Moments, der genau jetzt und hier so ist, wie er ist. Eine Sekunde später haben sich die Situation, das Wolkenbild, die Lichtwirkung auf das Motiv, vielleicht sogar das Motiv selbst sich verändert – meist nicht wiederholbar verändert.


Das ist kein Grund zur Traurigkeit. Die Situation kommt zwar nicht wieder, dafür jedoch eine andere, die entweder genauso so gut ist, wie die Verpasste oder vielleicht sogar noch besser.


Dennoch lohnt es sich, den Fotoapparat stets dabei zu haben. Das ist kein Plädoyer für das Smartphone. Nicht, dass ein Smartphone per se schlecht wäre, aber die Qualität ist einfach eine andere, auch wenn geneigte YouTuber Smartphones zur Fotografie über den Jordan loben, als ob sie Geld dafür bekommen würden.

Der Markt an DSLM’s ist mittlerweile so reichhaltig und gut, dass für nahezu Jeden ein Smartphone-Ersatz dabei ist. Vor kurzem hat Fujifilm die neue
X-M5 vorgestellt, die viele herausragende Features enthält, knapp 900 Euro kostet und jedes Smartphone wieder einmal in den Schatten stellt – auch was ihre Größe (besser „Kleine“) anbelangt.


Aber auch eine große Kamera (mit einem Objektiv) lässt sich in einer Schultertasche leicht verstauen und die bietet zusätzlich auch noch Raum für Schlüssel, Papiere, Geldbeutel und sonstige Accessoires. 


Wichtig aber: Man muss sie dabeihaben. Sonst ist der Augenblick weg. Erst heute Morgen war wieder so ein Moment. Die Kamera hatte ich nicht mitgenommen, weil ich dachte, ich hätte sowieso keine Zeit zum Fotografieren. Auf dem Weg zur Dienststelle dann ein Wahnsinnslicht mit unfassbar schönen Farben. Sch….. . Verpasst. Das ist ärgerlich, noch dazu vollkommen unnötig, denn die Tasche mit der Kamera hätte ohne weiteres Platz im Auto gehabt. Und ich bin mir sicher, dass so ein Moment nur einmal im Jahr vorkommt. Mit dem Smartphone kommt das nicht so rüber, wie es in diesem Moment war (das Bild vom Smartphone habe ich übrigens nach ein, zwei Bearbeitungsversuchen gelöscht, weil es meinen Ansprüchen keineswegs gerecht wurde).


Und nein, ich werde deswegen keine X-M5 kaufen, denn meine X-S10 erfüllt ihren Zweck vollkommen.


Auch ein Argument, dass man oftmals hört, ist: „Meine Kamera ist zu kompliziert. Ich komme damit nicht zurecht. Es dauert mir zu lange, bis ich die richtigen Einstellungen gefunden habe.“


Sorry, aber das ist Nonsens. Warum? Deshalb!


  1. Kaufe dir keine Kamera, wenn du keinerlei Bereitschaft hast, dich mit der Technik selbst und dem Fotografieren auseinanderzusetzen. Fotografieren ist mehr, als Bilder am laufenden Band zu produzieren. Das kann und muss man machen, um durch viel Übung Erfahrungen zu sammeln, der Ausschuss wird dementsprechend hoch sein – was allerdings im Zeitalter der günstigen Speicherkarten auch kein Grund sein sollte, nicht viel zu fotografieren und schlussendlich den Prozess des Fotografierens unterstreicht.
  2. Beherrsche deine Kamera im Schlaf. Übe, übe und übe nochmals. Viele Bilder bedeuten viel Bedienung, viel Bedienung bedeutet Sicherheit im Umgang mit dem Werkzeug Kamera. Dir ist abends langweilig? Dann mach‘ das Licht aus und lerne deine Kamera bei völliger Dunkelheit zu bedienen.
  3. Nahezu alle modernen DSLM – auch die letzten DSLR – haben mehrere Custom-Buttons bzw. frei konfigurierbare Einstellräder, die sich mit Speicherfunktionen belegen lassen. So kannst du dir für verschiedene Situationen schon mal vorab Konfigurationen abspeichern, so dass im Fall des Falles nur ein einziges Rad drehen oder einen Knopf drücken musst, um genau die Einstellungen auf Anhieb zu bekommen, die du für den kurzen Moment brauchst.
    Bei meiner Fujifilm X-S10 sind das fünf Plätze, bei der Fujifilm X-H2 sind es mindestens sieben, bei der X-T4 auch sieben und bei der Nikon Z6II mindestens drei freie Speicherplätze. Das reicht für nahezu alle Situationen von extrem kurzen Belichtungszeiten in Kombination mit hoher ISO, um schnellste Bewegungen „einzufrieren“ bis hin zum voreingestellten Portrait-Modus und dem Erfassen von Tieraugen, Autos und Motorrädern.
  4. Und kaufe dir als Anfänger vor allem keine Kamera bei Ebay, die du nicht im Laden vorher ausprobiert hast. Und da ich das ziemlich unfair finde, sich im Fachgeschäft beraten zu lassen, um dann anschließend für kleines Geld Online zu kaufen, kaufst du am besten gleich im Fachgeschäft. Die meisten Verkäufer lassen mit sich reden und handeln – so zumindest meine Erfahrung.
  5. Der letzte Tipp: Bleib weg vom manuellen Modus. Das frustriert nur, dauert viel zu lange und ist definitiv nicht geeignet, den Augenblick zu erfassen. Und es ist einfach nur ein übles Gerücht, dass Profis immer im manuellen Modus fotografieren, denn das tun sie tatsächlich sehr, sehr selten. Viel mehr kommen der A-Modus und der S-Modus zum Einsatz. Den A-Modus deshalb, weil sie damit die Kontrolle über die Blende behalten und den S-Modus, weil sie damit die Zeit kontrollieren können, vor allem dann, wenn es darum geht, Bewegungen einzufrieren oder auch nicht, wobei dann die Blende nur eine untergeordnete Rolle spielt. Der manuelle Modus ist ein Relikt aus der frühesten analogen Zeit, weil man nichts anderes zur Verfügung hatte und keineswegs die hohe Kunst der Fotografie. Die Bilder werden im M-Modus nicht zwingend besser und am Ende fragt niemand, in welchem Modus das Bild gemacht wurde (abgesehen davon, dass ein erfahrener Bildbetrachter ziemlich genau Verschlusszeit, Blende und Belichtungseinstellungen in einem fertigen Bild erkennen kann – zumindest ansatzweise).


So und jetzt viel Spaß beim Fotografieren mit der Immer-dabei-Kamera!


©2024 Jürgen Pagel

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In der banalen Fotografie geht es nicht um das Ergebnis. Hier ist der Prozess des Fotografierens entscheidend. Oder eher die Fähigkeit, seine Umgebung wahrzunehmen und in einfachen Sachen das Schöne zu finden. Oder ein nur darum, Hässliches zu fotografieren. Ob der Betrachter das auch interessant findet, liegt nicht in der Macht, aber auch nicht in der Absicht des Fotografen. Keineswegs ist es eine Ausrede für schlechte Bilder und es geht nicht darum, schlechte Bilder schön zu reden. Banale Fotografie ist vielmehr eine Schulung für die eigenen Augen und Sinne.
Frau mit Kamera auf Safari
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Du kennst das sicher. Jeder Fotograf und jede Fotografin kennt das - ein Tag der Lustlosigkeit. Am Wochenende Zahnschmerzen gehabt, das Knie schmerzt und der Rücken zwickt. Kein Bock zum Fotografieren. Eigentlich nicht weiter schlimm. Aber sich dem Hinzugeben ist mir zuwider. Also den Hund und die Kamera geschnappt und das 100mm f/1.5 von TTArtisan aufgeschraubt (M42 auf Adapter für den X-Mount) - also auf die Kamera, nicht auf den Hund. Das Wetter nicht so toll. Kalt, feucht und diesig, erst gegen Mittag kam die Sonne hervor.
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Wir Fotografen wissen es schon längst: "Nicht die Kamera macht das Bild, sondern der Fotograf". Dieser mittlerweile "phrasenhafte" Satz, für den 5 Euro in's sogenannte Phrasenschwein geworfen werden müssen, ist einerseits richtig, andererseits jedoch erläuterungsbedürftig. Fotografieren hat enorm viel mit Sehen zu tun. Sehen lernen und sehen können ist der Schlüssel für spannende, emotionale, dokumentarische, erlebnisbehaftete und technisch gute Fotografien (gleiches gilt übrigens auch für die Videografie). Und zusätzlich zu der gehörigen Portion des Sehens kommt noch eine ordentliche Prise Licht dazu. Dieser Mix ist es, der neben der Bildbearbeitung, die eigentliche Fotografie ausmacht.
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Bis auf die eine oder andere Ausnahme abgesehen, gibt es über alle Generationen hinweg sehr gute Fotografen, die ihr eigenes Alter ad absurdum führen. Das macht die Fotografie zu einem Beruf, der kein Ende kennt. Solange du noch deinen Fotoapparat halten kannst, ist alles im grünen Bereich.
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