Immer dasselbe

Jürgen Pagel

Immer dasselbe

Ist es langweilig, immer dasselbe zu fotografieren? Auch hier, wie in vielen anderen Lebenssituationen, antwortet Radio Eriwan*):
„Es kommt darauf hin. Im Prinzip ja, aber …“.

Wer in einem kleinen Ort mit 6.400 Einwohnern zu Hause ist, wird sich zunächst in genau diesem Ort bewegen (müssen). Für einen Großstädter aus Stuttgart, Köln oder Düsseldorf gilt das Gleiche. Tatsächlich sind die Motive jedoch andere. In einem kleinen Ortskern finden sich naturgemäß deutlich weniger Street-Motive als in einer Großstadt. In der geht der „Stoff“, aus dem die Fotos sind, niemals aus. Das kann nicht und niemals langweilig werden. Die unendliche Vielzahl an Straßenzügen lädt zum Fotografieren in allen möglichen und unmöglichen Situationen ein. Gefühlt ist jeden Tag in irgendeinem Stadtteil irgendein Fest. Ständig ist etwas los. Kein Tag ist wie der andere.
Da ist das Leben auf dem Land in einem kleinen Dorf schon etwas vollkommen anderes. Es gibt eine Hauptstraße und eine überschaubare Anzahl an Nebenstraßen (in denen zumeist nichts geboten ist). Feste gibt es ziemlich genau dreimal im Jahr – zu Ostern der traditionelle Ostermarkt, im Sommer das „große“ Dorffest, im Herbst das Erntedankfest und das Eröffnungsfest der neuen Weinsaison. Das war’s. Vielleicht noch einen Weihnachtsmarkt auf der Burg. Aber nur vielleicht, wenn sich genug Aussteller finden, was nicht immer der Fall ist.

Das alles ist nicht richtig oder falsch, gut oder schlecht – es ist eben anders. So ganz anders als in der großen Stadt. 
Folglich sind auch die Motive anders bzw. seltener. Aber keineswegs schlechter. Nur anders. Auf dem Land dominiert die Natur. Direkt vor der Haustüre. Damit tut sich der Städter erfahrungsgemäß etwas schwerer. Der muss sich nämlich zuerst auf sein Fahrrad oder in sein Auto setzen und 20-30 Minuten oder länger fahren, damit der dahin kommt, wo der Landbewohner sozusagen drüber stolpert.

Und da wiederholen sich die Motive des Land- wie des Stadtbewohners. Der Stadtbewohner sehnt sich nach ländlichen Motiven, nach Natur, nach Tieren. Bei uns auf dem Land gibt es tatsächlich noch Wildvögel, wilde Hasen und Kaninchen, Marder, Füchse, Dachse und Rehe vor der Haustüre – neuerdings auch Waschbären. Und Wildschweine – fast hätte ich die Wildschweine vergessen.
Der Landbewohner hat irgendwann genug vom ständigen Grün der Natur, den Dachsen, Füchsen und Marder und sehnt sich nach belebten Straßen, bunten Lichtern und Kneippen an jeder Ecke – einfach nach Motiven, die das blühende Leben zeigen. Dazu muss er sich in sein Auto setzen und 20-30 Minuten in die Stadt fahren.

Und ja, immer dasselbe oder das Gleiche zu fotografieren, wird irgendwann langweilig. Selbst die unterschiedlichsten Perspektiven im Wandel der Jahreszeiten zeigen im Grunde immer die gleichen Motive und auch die Perspektiven wiederholen sich im Jahreswechsel.

Um dieser Langweile zu entkommen, gibt es drei pragmatische Ansätze:
1. Der Städter fährt aufs Land und der ländliche Fotograf fährt in die Stadt.
2. Nicht der Perspektivwechsel (die Karte haben beide schon ausgespielt), sondern Objektivwechsel in angesagt. Gleiche Kamera und anderes Objektiv. Die Sichtweise wird sich erheblich verändern. Aus einem mehr an Kontext, wird die Fotoarbeit konzentrierter – es gelangen andere Dinge in den Fokus. Für beide kann der Wechsel der Brennweite einen erheblichen Gewinn bedeuten. Für mich persönlich (auf dem Land lebend) war schnell klar, dass mir das Weitwinkel zu langweilig wird, weil sich die Landschaftsmotive schnell wiederholen. Weinberge sind nun mal Weinberge. Ob aus Osten oder Süden aufgenommen, macht keinen wesentlichen Unterschied. Die Landschaft ist überwiegend von Landwirtschaft, Weinbau und Holzwirtschaft geprägt und bietet daher wenig Abwechslung. Hierbei ist dann der ländlich im Allgäu lebende Fotograf durch die nahen Berge und Täler wiederum eindeutig im Vorteil. Aber das „näher ran“, das Close-Up bringt eine neue Sichtweise in die Fotografie. Das gilt m.E. sogar für alle Genre.
3. Vorübergehender Wechsel in ein anderes Genre. Das kann die Portraitfotografie in der Natur oder in der Stadt sein. Auch für die Makrofotografie bieten sich in der Stadt (beispielsweise technische Details) oder auf dem Land (Pflanzen, Kleintiere o.ä.) genügend Motive, die für Abwechslung sorgen.

Wichtig ist vor allem eines: Der Spaß an der Fotografie darf nicht verloren gehen – weder für den Hobbyisten noch für den professionellen Berufsfotografen. Den ohne Spaß wird der ganze Aufwand, den man nahezu täglich betreibt, zur Qual und das ist nicht gut. Und wenn dann doch mal die Motivation auf dem Tiefpunkt ist, so kann man sich damit trösten, dass dies bei allen Fotografen immer wieder vorkommt. Und auch dabei helfen die oben genannten pragmatischen Lösungsansätze.

*) Radio Eriwan (auch Sender Jerewan oder Radio Jerewan) ist ein fiktiver Radiosender, der unter dem sozialistisch-kommunistischen Sowjetregime Zuhörerfragen beantwortet.

©2024 Jürgen Pagel

Neunzehn58 Photographie

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Du kennst das sicher. Jeder Fotograf und jede Fotografin kennt das - ein Tag der Lustlosigkeit. Am Wochenende Zahnschmerzen gehabt, das Knie schmerzt und der Rücken zwickt. Kein Bock zum Fotografieren. Eigentlich nicht weiter schlimm. Aber sich dem Hinzugeben ist mir zuwider. Also den Hund und die Kamera geschnappt und das 100mm f/1.5 von TTArtisan aufgeschraubt (M42 auf Adapter für den X-Mount) - also auf die Kamera, nicht auf den Hund. Das Wetter nicht so toll. Kalt, feucht und diesig, erst gegen Mittag kam die Sonne hervor.
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