Projekte - Fotografieren mit Plan

Jürgen Pagel

Mit dem Fotografieren ist es, wie mit dem Bauen ...

... einfach so eine Hütte hinstellen ist nicht.

Fotografieren mit (und ohne) Plan
Es gibt zweifelsfrei viele Arten von Fotografen und Fotografinnen. Neben den verschiedenen Genres wie Landschaft, Tier, Real Estate (Immobilien), Reportage, Street und anderem mehr, zeichnet sich jeder auch durch eine andere Herangehensweise aus. Dabei ist nichts richtig, nichts falsch, alles kann und nichts muss (Letzteres ist mittlerweile zu meinem Lieblingsmotto geworden).
Der eine geht vollkommen planlos in die Landschaft, entdeckt ein spannendes Motiv, fotografiert und ist absolut glücklich dabei. Eine andere hat den Kopf voller Ideen, ist hochmotiviert und findet nicht das, was sie sucht. Wobei hierbei das Geschlecht keinerlei Rolle spielt.
Dazwischen ist alles möglich. Getreu dem Motto "Fotografiere nicht jeden Sch..." ist es auch vollkommen in Ordnung, einmal mehr ohne Ausbeute heimzukehren. Andererseits ist bisweilen ein schlechtes Bild besser, als gar keines. Es kommt halt immer darauf an, welcher Zweck und welches Ziel Du verfolgst.

Und da sind wir schon beim Thema.

Das Projekt
Ein Projekt ist eine geplante oder bereits begonnene Unternehmung größeren Ausmaßes - so zumindest die Definition. Das Foto einer Freundin, wie sie die Katze streichelt, muss nicht projektiert werden. Soll dagegen eine Bildserie von einem Hufschmied oder von Immobilien fotografiert werden, bedarf es einer gewissen Planung. Zum Einen, um sich ein "Bild" von dem Ausmaß, dem Aufwand zu machen - zum Anderen, um zeitlich, räumlich und materialabhängig Vorkehrungen zu treffen, damit am Ende auch sicher alles gut wird.

Ich persönlich liebe solche Projekte. Sie geben Ordnung und Struktur in der eigenen Denkweise. Spontan ist auch toll, aber eben nicht nur.

Ablauf
Am Anfang steht die Idee oder ein Auftrag. Zum Beispiel die Sache mit dem Möbelschreiner.
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Ziel dieses Projektes war es, den Weg vom Rohstoff Holz bis zum fertigen Endprodukt aufzuzeigen. Besonderer Dank gilt der Möbelschreinerei Hartmut Blank und seiner Frau Natascha Blank, die sich als Innenarchitektin für die Möbel- und Designentwürfe im eigenen Haus verantwortlich zeichnet und die geholfen haben, das Projekt zu realisieren.


Kontaktaufnahme

Dieser erste Schritt ist "eigentlich" selbstverständlich. Jedoch zeichnet sich bei der vorausgehenden Recherche bisweilen Widerstand ab. Wir leben schließlich im Schwabenland und die Schwaben sind bekannt dafür, dass es lange dauert, bis sie ihr Herz öffnen. So werden Fotografen, die einen Handwerker bei der Arbeit fotografieren wollen, zunächst mit gebotener Zurückhaltung bedacht. Telefonate gestalten sich schwierig, Zusagen sind meist unverbindlich und es bedarf einiger Vorarbeit, bis so ein Projekt realisiert werden kann. Nicht so bei der Familie Blank - da war das auf Grund eines bestehenden persönlichen Kontaktes ausgesprochen einfach und sehr herzlich. Allerdings ist das die Ausnahme. Da sind klassische Auftragsarbeiten bedeutend einfacher zu realisieren. Nun, klappern gehört bekanntlich zum Handwerk und ist der Weg auch noch so schwer - es wird umgesetzt, was umgesetzt werden muss. Aufgeben ist keine Option.


Das Pre-Shooting

So ein Pre-Shooting würde ich jedem Fotografen empfehlen wollen. Das hat einige konkrete Gründe:

  1. Die Motive können im Vorfeld erfasst und besprochen werden. Je nach Unternehmung kann und darf man nicht alles fotografieren, was einem vor die Linse kommt. Es gibt Betriebsgeheimnisse, besondere Abläufe oder Rezepturen, die nicht an die Öffentlichkeit sollen. Das gilt es zu beachten und nichts ist schlimmer, als im Nachhinein die Hälfte der mühselig geschossenen Fotos löschen zu müssen. Des Weiteren bekommt der Fotograf ein Bild davon, wie die fertige Serie auszusehen hat. Bewegungsabläufe, Handlungen, Schritt A vor B, Handreichungen, Produktionsprozesse - schlussendlich lernt man auch eine Menge über einen Beruf oder über Produktionsprozesse.
  2. Die Bildidee. Nah ran oder weit weg? Eine ganze Szene erfassen oder lieber in's Detail? Gnadenlose Schärfe von Anfang bis Ende oder lieber cremiges Bokeh mit tollen Bubbles bei Gegenlicht? Mehr Reportage-Style oder lieber künstlerisch? Das sollte vorher geklärt sein, denn es beeinflusst die gesamte Komposition und die Bildgestaltung.
  3. Die Belichtungssituation. Das erspart einem Schlepperei. Zwar tendiere auch ich dazu, lieber alles mitzunehmen, als irgendetwas zu vergessen und dann beim Kunden zu stehen und kein Blitzgerät zu haben oder die Akku's zu vergessen und dann mangels Steckdosen keine Beleuchtung zu haben, aber beim Pre-Shooting kann man schon einmal vorab festlegen, ob und wo Licht gesetzt werden muss. Achtung. Unbedingt die Tageszeit festlegen, an dem das eigentliche Shooting stattfinden soll und möglichst zur gleichen Zeit auch das Pre-Shooting machen.
  4. Die Protagonisten bestimmen. Wer soll mit auf's Bild? Wer will, wer darf, wer kann, wer muss? Hierbei macht es durchaus einen Sinn, je nach Zweck ein paar Freistellungsformulare dabei zu haben, um die Rechte im Vorfeld zu klären - bevor es am Ende böse Überraschungen gibt.
  5. Welche Kamera und welche Objektive kommen zum Einsatz? Ich persönlich - als Freund der Close-Up-Fotografie nehme hauptsächlich ein 56mm bis 85mm-Objektiv im APS-C Äquivalent. Dazu braucht es aber auch bisweilen Abstand, der auf Grund vorherrschender räumlicher Enge, nicht immer vorhanden ist. Entscheidend ist also - wieder einmal mehr - die Bildidee.
  6. Bildgröße/ Format festlegen. Jetzt ist eine gute Zeit dafür. Das Beschneiden von einem 3:2 in ein 1:1 - Format bringt stets Verluste u.U. wertvoller Bildinhalte mit sich. Deswegen vorher festlegen oder an die Einstellung denken.
  7. Stativ. Wird ein Stativ benötigt? Das kann bisweilen ganz schön hakelig werden. In einer Brauerei wollte ich mehrere Stative für Beleuchtung und Kameras benutzen. Das zeichnete sich allerdings als sehr schwierig ab, weil um die Braukessel herum Lochplatten mit großen Löchern verbaut waren, so dass die Stativfüße hindurch rutschten. Mit ein paar Holzlatten konnte Abhilfe geschaffen werden.
  8. Mittels des Pre-Shootings bekommst Du auf jeden Fall schon mal eine grobe Vorstellung über den zeitlichen Umfang, die ungefähre Anzahl der Bilder und den zeitlichen Aufwand der Postproduction.


Und schon bist Du mittendrin und nicht nur dabei. Abgesehen von einzelnen Kundenwünschen - wenn es sich um einen Kunden handelt - legst Du sozusagen die Rahmenbedingungen fest. Ich finde das enorm wichtig, denn allein das unterscheidet diese Art der Fotografie von dem spontanen "ach, heute geh' ich mal raus und mache ein paar Bilder von dem Busch dahinten". Nicht, dass dieses schlecht wäre, sondern es ist anders.


Das eigentliche Shooting

Da gibt es eigentlich nicht mehr viel dazu zu sagen, weil die Vorarbeit getan ist, die Abläufe dokumentiert sind und jeder der Protagonisten weiß, was er oder sie zu tun hat. Dennoch kann Spontanität gefragt sein. Mir ging das zum Beispiel bei einem Shooting in einem Mercedes Benz - Autohaus so. Im Vorfeld alles besprochen, Pre-Shooting gemacht, alles perfekt. Dann lagen zwischen dem Pre-Shooting und dem eigentlichen Shooting (zwei Kameras mit mehreren Objektiven, externer Beleuchtung usw. - also das ganz große Besteck) einige Wochen. Zwischenzeitlich hatten sie aber nur noch wenige Autos im Ausstellungsraum, weil sie alles verkauft hatten und keinen Nachschub bekamen. Zum Glück stand da ein GT-R für einen Kunden abholbereit parat - also die Gunst der Stunde genutzt und herausgekommen sind einige fantastische Bilder von diesem wirklich sensationellen Fahrzeug.


Für den Fall der Fälle habe ich immer einen Adapter dabei, mit dessen Hilfe ich die Bilder gleich als JPEG auf das iPad oder das iPhone laden kann (mit der App von Fujifilm ist das per Bluetooth hochkomplex), um dem Kunden schon vorab eine Auswahl zeigen zu können. Wobei ich keines der Bilder unbearbeitet aus der Hand gebe. Prinzip.


Gewöhne Dir an, Dir nahezu jedes Bild noch einmal in der Vorschau anzusehen, um Überraschungen bei der Postproduction zu vermeiden. Man glaubt gar nicht, was man bisweilen im Eifer und im Bilderrausch für einen Sch... fotografiert.


Der Abbau
Das klingt jetzt irgendwie echt dämlich. Aber zum Projekt gehört neben dem Aufbau auch der Abbau. Nicht, das es peinlich wäre, ein LED-Panel, die Objektivabdeckungen oder Verlängerungskabel zu vergessen. Aber es kostet halt Zeit, weil man zum Abholen noch einmal hinfahren muss. Deswegen verwende ich eine Packliste, auf der ich ankreuze, was mitgenommen werden muss. Die nutze ich beim Abbau, um die Vollzähigkeit meines Equipments zu überprüfen. Das mag sich kleinlich lesen, aber es erspart Zeit, Ärger und u.U. auch Geld für den Neukauf.


Die Postproduction

Die exakte Vorgehensweise bei der Postproduction zu beschreiben, würde den Rahmen des Beitrages sprengen - dazu an anderer Stelle später mehr. Aber es sollte sich jeder einen Workflow angewöhnen. Das erspart Zeit.
Laden, sortieren, aussortieren, beschneiden falls nötig, Ausrichtung. Dieser Arbeitsgang erfolgt mit jedem Bild. Die Guten in's Tröpfchen, die Schlechten in's Töpfchen ;-). Letzter Arbeitsgang ist dann die Feinbearbeitung mit Licht, Kontrast etc..
Hier rächt es sich, wenn wechselnde Lichtverhältnisse nicht gleich beim Fotografieren angepasst werden. Die automatische ISO hilft dabei ungemein. Haben alle Bilder nahezu die gleiche Helligkeit, passt der Weißabgleich, dann reicht es, ein Bild komplett fertig zu machen, zu kopieren und auf alle anderen anzuwenden. Immer noch muss das eine oder andere Bild nachjustiert werden. Aber die grobe Arbeit ist getan. Auch das erspart wiederum viel Zeit.
Ab in die Dropbox, hochladen und fertig ist das Projekt.


Fazit
Projektarbeiten machen Spaß. Sie geben Ordnung und Struktur. Sie haben ein klar definiertes Ziel und am Ende bis Du stolz, wenn Du Dein Projekt abschließen darfst, um Dich dem Nächsten zuzuwenden.


© Jürgen Pagel 2022 LICHTWERK.DESIGN

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