Nun könnte man sagen: „Siehst du, dann können doch Bilder mit dem Handy gar nicht so schlecht sein.“ Bevor Sie diesem Trugschluss aufsitzen, ein paar Fakten.
Jedes Jahr kommen neue Smartphones mit immer besseren und immer mehr Kameralinsen auf den Markt. War es vor einigen Jahren noch das Highlight, im Handy oder Smartphone eine Kamera zu haben, gibt es mittlerweile Smartphones mit fünf oder mehr Kameras. Weitwinkel, Teleobjektiv, Makro-Linse oder Selfie-Kamera gehören fast schon zum Standard eines jeden Smartphones. Ein Smartphone ohne Kamera, ist heute nicht mehr vorstellbar.
Das Smartphone ist immer dabei und damit auch die Kamera. Ein ständiger Begleiter für spontane Schnappschüsse direkt in der Jacken- oder Hosentasche. Erinnerungen, Selfies, das leckere Abendessen oder der gesamte Urlaub können mit dem Smartphone fotografiert werden, ohne eine weitere Kamera mitzunehmen. Die Bilder lassen sich direkt per WhatsApp oder Mail an Freunde und Verwandte schicken oder man lädt sie direkt auf einem der Social-Media-Kanäle hoch.
Entscheidend ist jedoch in erster Linie der Zweck. Nutzen Sie die Fotografie zur Dokumentation von Erlebnissen, die Sie möglichst schnell, am besten sofort mit anderen teilen wollen, ist das Handy auf jeden Fall die bessere Wahl - was nicht bedeutet, dass man bei der Handyfotografie alle fotografischen Regeln außer Acht lässt.
Die beste Kamera ist die, welche man dabeihat – so einer der Leitsätze der Fotografie. Meint, nicht das Kameramodell ist entscheidend, sondern vielmehr das, was sich hinter der Linse verbirgt.
Und bis auf den Sensor können Sie Smartphones mittlerweile dank einem schier unerschöpflichem Zubehörmarkt professionell ausstatten. Das geht vom Gimbal über Zusatzlinsen, Filter, verschiedene Objektivaufsätze und vieles andere mehr.
Preislich liegen Sie dann schnell auf dem Niveau einer Digitalkamera. Jeder kann sich austoben und Spaß mit der Handyfotografie haben und professionell ist es obendrein.
Es kommt eben auf den Zweck an.
Was bitte wollen Sie von einem Sensor, der gerade einmal 1:3,2 Zoll erwarten? Die „ausgeworfenen“ Bilder sind mittels geräteinterner Software bearbeitet und „gebügelt“. Rauschen – je kleiner der Sensor, desto größer das Rauschen - wird auf Kosten der Schärfe eliminiert und nicht vorhandene Details hinzugerechnet, ohne das sie jemals vorhanden waren. Da nutzt es auch nichts, wenn Hersteller mit 40, 50 und mehr Megapixeln werben.
Es erfüllt also nur seinen Zweck und der besteht zum überwiegenden Teil aus dem Hochladen ins World Wide Web, auf Facebook, Instagram und Co..
Wenn das Ihrem Einsatzzweck vollkommen entspricht, brauchen Sie nicht weiterlesen. Dann ist die eierlegende Wollmilchsau Smartphone für Sie genau das Richtige.
Alle anderen sollten bei der Anschaffung eines Handys eher ein Auge auf dessen Hauptfunktion, nämlich der des Telefonierens werfen und unter Umständen mit einer weniger umfangreichen Fotografieausstattung Geld sparen.
Apropos Geld sparen: es muss nicht immer das neueste Model sein. Das gilt für Kameras gleichermaßen.
Kommen wir nun zu den Kameras.
Für Einsteiger erscheint der Markt zunächst undurchschaubar. Als jemand, der darüber schreibt, geht es mir nicht wirklich besser. Man weiß gar nicht genau, wo man anfangen soll.
Wenn Sie also mehr als nur einen Schnappschuss machen wollen, sich vorstellen können, Spaß an der Bildbearbeitung finden, Ihre Bilder nicht in irgendeiner Online-Bibliothek vor der Öffentlichkeit verstecken wollen, sondern auch zum (Aus)druck bringen wollen, dann sind Sie in der Rubrik der „richtigen“ Kamera auf jeden Fall auf einem guten Weg.
Analoge Kameras
Sogenannte analoge Kameras, also solche, bei denen man einen Negativfilm einlegen muss, auf Ihnen meist 36 Bilder zur Verfügung stehen, sind ein Klassiker. So sehr das auch Spaß machen kann, so wenig ist das mittlerweile zum Experimentieren und vor allem zum Einstieg in die Fotografie geeignet.
Vorteile
Nachteile
Mein Tipp
Lassen Sie die Finger davon. Wenn Sie einige Jahre Digital fotografieren, das Prinzip verstanden haben und dann Abwechslung suchen, können Sie sich eine analoge Kamera zulegen. Zum Einstieg sind Sie meines Erachtens in der heutigen Zeit vor allem auf Grund der hohen Folgekosten ungeeignet.
Digitale Kameras
Hierbei müssen Sie zwischen einer DSLR, also einer Spiegelreflexkamera und einem spiegellosen System, der sogenannten spiegellosen Systemkamera – DSLM - unterscheiden.
DSLR steht dabei für Digital Single Lens Reflex und DSLM für Digital Single Lens Mirrorless.
Grundsätzlich sind für den Einstieg beide Systeme geeignet, denn das Prinzip der Software, der Blick durch den Sucher als auch auf das Farbdisplay (LCD-Bildschirm) sind bis auf den Umstand, das bei der DSLR ein Spiegel, der bei der Aufnahme hochklappt, ein je nach Alter der Kamera anfälliges mechanisches Teil verbaut ist und bei der DSLM eben nicht, die Funktionsweisen sehr ähnlich. Eine DSLR älterer Bauart kann ebenso herausragende Bilder produzieren, wie eine DSLM neueren Baujahres. Keine von beiden ist besser oder schlechter.
Die Unterschiede liegen viel mehr in den Details. Neuere DSLM sind leichter, weil kein Spiegel mehr verbaut ist. Die Software ist deutlich moderner und leistungsfähiger, sie haben eine höhere Serienbildgeschwindigkeit, sind weniger anfällig, sind handlicher, weil meist kleiner (Ausnahmen bestätigen die Regel) und es gibt im APS-C-Format eine ausreichend große Auswahl auch schon für unter 1.000 Euro.
Beispiele für Spiegelreflexkameras
Canon EOS 850D + EF-S 18-55mm IS STM Objektiv, Preis ca. 999 Euro
Canon EOS 2000D + EF-S 18-55mm IS II Objektiv, Preis ca. 479 Euro
Nikon D3500 Body only, Preis ab 439 Euro
Nikon D7500 Body only, Preis ab 999 Euro
Sony Alpha 77II, Body only, Preis ca. 1.000 Euro
Sony Alpha 68, Body only, Preis ab 468 Euro
Beispiele für spiegellose Systemkameras
Fujifilm X-S10, ohne Objektiv, ca. 940 Euro
Fujifilm X-T30II + XC 15-4mm, ca. 975 Euro
NIKON Z FC KIT Z DX 28 MM 1:2.8 SPECIAL EDITION, Preis 949 Euro
NIKON Z50 + DX 16-50 MM F /3,5-6,3 VR, Preis ca. 890 Euro
Vollformat vs. APS-C
Für den Einsteiger empfehle ich uneingeschränkt das APS-C-Format, also den etwas kleineren Sensor mit Crop 1,5 bzw. 1,6 (je nach Hersteller). Das heißt, Sie müssen jede Brennweite eines Objektivs immer mit einem dieser beiden Faktoren multiplizieren, da die Angaben der Objektive im Kleinbildformat angegeben werden. Vollformatkameras bekommen Sie nicht für die o.g. Preise und die Objektive sind deutlich teurer als APS-C-Objektive.
Objektive
Wenn es möglich ist, kaufen Sie sich nur das Kameragehäuse ohne eines dieser Kit-Objektive. Kit-Objektive sind per se nicht schlecht, kommen aber was die Qualität anbelangt selten an native vollwertige Objektive der Hersteller nicht heran.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein Objektiv der wesentlich wichtigere Teil der Kombination von Kamera und Objektiv darstellt. Die beste Kamera nützt Ihnen nichts, wenn Sie ein schlechtes Objektiv verwenden. Dagegen können Sie mit einem herausragenden Objektiv auf einer schlechten Kamera immer noch brauchbare Bilder erzeugen. Sparen Sie also lieber am Kameragehäuse und gehen Sie bei Objektiven keinerlei Kompromisse ein. Mir ist bewusst, dass niemand das gerne hört. Aber es ist so. Punkt.
Bedenken Sie bitte, dass sogenanntes Altglas nicht für die heutigen Kamerasysteme gerechnet, sprich hergestellt wurde. Es gibt hervorragende Linsen für jeden Kameratyp, den Sie ggf. mittels Adapter an nahezu jedem Kamera-Bajonett verwenden können. Selbst für M42-Gewinde finden sich passende Adapter. Aber Sie werden immer Abstriche hinsichtlich Schärfe, Vignettierung oder im Bokeh machen müssen. Nichtsdestotrotz sind sie eine gute Möglichkeit für wenig Geld gerade den Anfänger glücklich zu machen. Eines ist diesen Objektiven allerdings gemeinsam: sie haben meist keinen Autofokus, sondern müssen manuell bedient werden. Das jedoch kann man lernen. Schwierig wird es dann nur bei sich bewegenden Motiven oder dem schnellen Schnappschuss. Bis Sie als Anfänger richtig fokussiert haben, ist das Motiv von der Bildfläche verschwunden.
Mein Tipp
Der Markt an Objektiven ist mindestens genauso groß, wie der für Kameras. Verwenden Sie, wenn möglich die nativen Objektive der Kamerahersteller. Da können Sie nicht viel falsch machen. Mit etwas Erfahrung können Sie dann auf Objektive der Dritthersteller wie Sigma, Viltrox, TTArtisan o.ä. ausweichen.
Bajonett
Der Anschluss, also die Adaptierung des Objektivs an die Kamera wird als Bajonett bezeichnet. Hier hat nahezu jeder Kamerahersteller sein eigenes Bajonett. Nikon DSLR verwenden z.B. das F-Bajonett, DSLM das Z-Bajonett. Bei Fujifilm heißt es X-Bajonett und bei Canon z.B. EF- oder RF-Bajonett.
beachten Sie bitte, dass dieses Bajonett-Anschlüsse untereinander nicht kompatibel sind. Sie können zwar unterschiedliche Baureihen des gleichen Herstellers mittels eines Adapters kombinieren, nicht jedoch der Hersteller untereinander. Wenn Sie auf eine Sony-Kamera mit einem E-Bajonett ein Canon-Objektiv mit einem EF-Bajonett adaptieren, funktioniert das gut, aber sie werden erhebliche Einbußen in der Fokusfunktion sowie dem Bildbereich bzw. der Schärfe in Kauf nehmen müssen.
Das bedeutet, dass Sie sich beim Kauf Ihrer neuen Kamera mehr oder weniger auf einen Objektivtyp festlegen. Das ist nicht schlimm, aber somit wird ein späterer Umstieg auf ein anderes System immer richtig teuer, weil Sie nicht nur die Kamera austauschen, sondern gleich den gesamten Objektivpark mit einkaufen müssen.
Mein Tipp
Starten Sie mit einem 35mm APS-C-Objektiv (das entspricht ca. 50mm Kleinbildformat). Ein offenerer Betrachtungswinkel ist für Landschaften und Architektur sehr hilfreich, z.B. 23mm (das entspricht ca. 35mm im Kleinbildformat). Für Portraits ist wegen der zu erwartenden Freistellung ein 50mm-Objektiv eine gute Wahl (entspricht ca. 75mm im Kleinbildformat) und ein leichtes Tele-Objektiv mit 75mm (entspricht ca. 112mm im Kleinbildformat) ist vielseitig einsetzbar. Wenn Sie ganz auf Nummer sicher gehen wollen, entscheiden Sie sich noch für ein Zoom-Objektiv zwischen 24-70mm oder ein 70-200mm. Dann können Sie nahezu alle Brennweiten abdecken, wenn Sie mal nicht so gut zu Fuß unterwegs sind oder Ihre Standposition eine Veränderung des Abstandes nicht erlaubt.
Lichtstärken von f/3.5 sind ok, solche von durchgehend f/2.8 deutlich besser, aber leider auch deutlich teurer. Noch besser sind Lichtstärken von f/1.4 oder f/1.8, aber Sie können es sich sicher schon denken – noch teurer. Da müssen Sie einfach schauen, was Ihr Budget hergibt.
Speicherkarten
Ähnlich wie bei den Kameras sowie den Objektiven ist der Markt an Speicherkarten kaum überschaubar. Achten Sie hierbei auf die Angaben der Kamerahersteller, die Ihnen Speicherkarten empfehlen, welche die Geschwindigkeiten bei Serienbildaufnahmen auch umsetzen bzw. speichern können. Ist die Karte zu langsam, bremst diese durch die Speicherdauer die Geschwindigkeit der Kamera aus.
Lassen Sie sich also nicht von Angeboten täuschen, die Ihnen hohe Lesegeschwindigkeiten versprechen, aber bei den Schreibgeschwindigkeiten anderen Herstellern gegenüber deutlich nicht überlegen sind.
SD-Karten bzw. micro-SD bekommen Sie schon ab 30-40 Euro in guter Qualität. Deutlich teurer wird es bei den sogenannten CF-Express-Cards. Sie sind sehr schnell aber auch leider sehr teuer. Da sind Sie dann schnell um mindestens 150 Euro pro Karte ärmer. Karten mit 256 und mehr Gigabyte Speicherkapazität können durchaus 300 Euro und mehr kosten.
Mein Tipp
Wenn Sie durchgängig mit 128 GB-Karten arbeiten, empfehle ich Ihnen den Kauf von mindestens zwei Karten. Bei Kameras mit zwei Kartenslots sogar mindestens vier Speicherkarten. Jeder Speichervorgang und das anschließende Neuformatieren der Karte iin der Kamera geht auf Kosten der Lebensdauer. Und verloren gehen sie auch schon mal. Letztendlich ist nichts schlimmer, als wenn Sie großartige Motive vor die Linse bekommen, die Speicherkarte voll ist und Sie keine zum Wechseln dabeihaben.
Gebrauchtmarkt
Ich habe auch nicht alle Kameras neu gekauft. Das eine ums andere Mal habe ich mich zum Kauf einer gebrauchten Kamera entschieden.
Mein Tipp
Das alles soll Sie nicht abschrecken. Ich persönlich kaufe sehr gerne bei ebay und ich bin noch nie enttäuscht worden. Aber nur, weil ich die o.g. Punkte beachtet habe. Bitte tun Sie das auch.
Zubehör
Alle wollen Geld verdienen. Das ist legitim. Aber lassen Sie sich bitte nicht einreden, dass Sie Reinigunsgssets im Wert von 100 Euro brauchen. Oder einen Rucksack für 299 Euro. Denn das brauchen Sie alles nicht.
Mein Tipp
Folgende Dinge sollten Sie (neben Kamera und Objektive) sich anschaffen:
Fazit
Es gibt einiges zu beachten, wenn man in die „richtige“ Fotografie einsteigt und ja, das Smartphone ist wahrscheinlich die günstigere Variante. Dafür macht es nicht so viel Spaß. Welchen Weg Sie am Ende einschlagen, ist selbstverständlich Ihre eigene Entscheidung und vielleicht werden Sie diese schon nach ein paar Wochen bereuen – oder auch nicht.
Sollten Sie sich für eine Kamera mit Objektiv entscheiden, dann seien Sie sich bewusst, dass es mit der Anschaffung beider Dinge nicht getan ist. Schnell kommen noch ein paar hundert Euro für dies und das dazu. Mit Kameragehäuse, zwei Objektiven und dem oben empfohlene Zubehör werden Sie bei rund 2.000 Euro landen. Vielleicht etwas mehr oder weniger.
Und bevor Sie sich etwas endgültig kaufen, schauen Sie einfach mal bei Grover vorbei. Dort können Sie sich ein Equipment für einige Monate leihen.
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©2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design
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