Glaubenssätze, die deine Fotografie ruinieren werden

Jürgen Pagel

Glaubenssätze, die Deine Fotografie ruinieren werden


Glaubenssätze und Dopamin
Das menschliche Gehirn ist etwas Außergewöhnliches: Es verbraucht ca. 20% der gesamten Energiezufuhr, obwohl es nur 2% des Körpergewichts in Anspruch nimmt. 
Denken ist also eine äußerst energieintensive Angelegenheit.
Da Energie meistens knapp ist, versucht das Gehirn, Ressourcen einzusparen. Dies gelingt ihm mit Routinen. Das Beibehalten von Gewohnheiten kostet weniger „Kraft“ und macht es dem Gehirn leicht, mit Ressourcen sparsam umzugehen. Das Gehirn belohnt seinen Besitzer durch die Ausschüttung von Dopamin. Dopamin fungiert als Neurotransmitter, das heißt als Botenstoff zwischen Nervenzellen. In seiner Wirkung vermag Dopamin die Vorfreude auf etwas auszulösen, motiviert und lässt zur Tat zu schreiten. So nimmt es Einfluss auf unsere Entscheidungen. Dopamin hat außerdem große Auswirkungen auf die Stimmung und das Wohlbefinden des Menschen.
Folglich verbleibt ein Mensch in einer Situation und beharrt auf seiner Meinung, auch wenn ihm diese mehr schadet als nützt.

Positive und negative Glaubenssätze
Glaubensätze wie
• „Ich bin wertvoll und verdiene Liebe, Glück und Erfolg. “
• „Ich bin stark und kann Herausforderungen meistern. “
• „Ich bin ein guter Mensch und verdiene den Respekt anderer. “
sind positiver Natur, beflügeln Dich und vermitteln Dir Vertrauen in Deine Leistung.

Solche wie
• „Das Equipment ist wichtig“
• „Ich bin zu unbegabt, die Fotografie-Technik zu verstehen“
• „Ich arbeite mich irgendwann mal durch all meine Fotos“
• „Bildbearbeitung kann ich nicht“
blockieren und behindern Dich in Deiner Entfaltung. Sie nehmen Dir das Vertrauen in Deine eigenen Fähigkeiten – meist ohne jeden Grund.

Verabschiede Dich von negativen Glaubenssätzen
Die oben genannten negativen Glaubenssätze ruinieren Deine Fotografie.
Bevor ich auf die einzelnen Punkte näher beispielhaft eingehe, zunächst ein deutliches Statement:

1. Das Equipment ist nicht wichtig. Du kannst mit jeder Kamera großartige Bilder machen. Heutige Systemkameras, ja selbst Smartphones, machen keine schlechten Bilder (mehr). Die Technik ist so weit fortgeschritten – da ist nach oben nur noch wenig Luft. Egal, ob mit Vollformat, APS-C oder MFT – alle Systeme haben ihre Berechtigung und daraus ergibt sich der jeweilige Einsatzzweck. Die Wahl des Objektivs ist signifikant wichtiger als die Kamera selbst. Eine Kamera für 7.000 Euro verliert fotografisch an Wert, wenn Du eine billige „Scherbe“ für 20 Euro vom Flohmarkt daran adaptierst. Je mehr Megapixel ein Sensor hat, um so besser muss das Objektiv sein. Altglas wurde für DSLR’s, also Spiegelreflexkameras gerechnet und nicht für die heutzutage verwendeten Sensortechnologien. Das kann absolut spannend aussehen und gibt den Bildern einen ganz eigenen Look. Aber Wunder, sprich eine knackige Schärfe, darfst Du davon nicht erwarten. Die Kamera ist lediglich Mittel zum Zweck und wenn es für Dich in Ordnung ist, auf Kosten der absoluten Schärfe einen traumhaften Look Deiner Bilder zu erzeugen, ist das Deine Entscheidung.

2. Fotografieren ist keine Frage des Talents oder einer Begabung. Zweifelsfrei gibt es Menschen, die verstehen komplexe Zusammenhänge leichter als andere. Deswegen machen sie keine besseren Bilder. Fotografie ist vor allem eine Sache des Übens, denn vom Himmel ist noch kein Meister gefallen.

3. Natürlich kannst Du Dich irgendwann durch alle Fotos arbeiten. Aber das kostet Dich wertvolle Lebenszeit. Warum willst Du das? Welches Ziel verfolgst Du damit? Sortiere Deine Bilder gleich. Die Schlechten ins Töpfchen, die Guten ins Kröpfchen. Unscharfe Bilder? Weg damit. Keine Bildaussage? Weg damit. Du weißt nicht mehr, wann und wo und Du erkennst das auch nicht am Bild? Weg damit. So hältst Du Ordnung, bringst System in Deine Sammlung.

4. Bildbearbeitung ist das A & O der Fotografie. Du fotografierst im RAW-Modus und bearbeitest Deine Bilder nicht? Ein Fehler. Du fotografierst deswegen im JPEG-Modus, damit Du Deine Bilder vermeintlich nicht bearbeiten musst? Ebenfalls ein Fehler. In diesem Fall überlässt Du die Bildbearbeitung einem chinesischen oder indischen Programmierer. Wieder ein Fehler.
Bildbearbeitung kann jeder lernen. Sogar ich habe das hinbekommen, obwohl Geduld nicht gerade meine Stärke ist. Dann schaffst Du das auch. Hier gilt ebenfalls: Üben, üben, üben.

Eine Geschichte
Du gehst mit Deiner Kamera spazieren, entdeckst ein Motiv und schreitest zur Tat. In diesem Moment kommt ein Wanderer vorbei und eröffnet das Gespräch mit folgendem Satz: „Oh, eine großartige Kamera haben Sie da. Ich hatte auch mal eine Nikon. Die macht sehr gute Bilder.“ Ist das nicht frustrierend? Kein Wort zu Deinen Fähigkeiten. Weiter: „Das Display ist sehr hochauflösend. Da sieht man die Schärfe ganz genau.“ Als wenn die Schärfe alles wäre. Kurz: Glaubenssätze sind überall. Wenn Du jetzt nicht ganz stark bist, steckst Du mitten im Dilemma. Einerseits willst Du Deine negativen Glaubenssätze ablegen. Aber dann kommt jemand um die Ecke, der Dir diese wieder in Deinen Kopf hämmert. Lösung: Stehenlassen. Einfach stehenlassen. Einen guten Tag wünschen, freundlich bleiben, dennoch stehenlassen. Mach‘ Dein Ding. Zieh das durch.

Fazit
Eine Kamera ist deswegen wichtig, weil Du sie wahrscheinlich jeden Tag in der Hand hast. Du musst sie lieben, gerne anfassen. Eine Kamera deren Griff für Sich zu klein ist, deren Display bei Sonnenschein nichts Erkennbares liefert, ist nichts für Dich. DAS ist wichtig! Ob sie nun 20 MP oder 40 MP hat, ist für die Qualität des Bildes kaum relevant. Ja, 40 MP lösen höher auf und lassen mehr Raum für einen Beschnitt. Wenn Du jedoch bei der Komposition darauf achtest, keinen Raum im Bild zu verschenken, brauchst Du den Beschnitt nicht.
Ich kenne Fotografen:innen, die haben wie ich spät ernsthaft mit der Fotografie begonnen. Sie machen sensationelle Fotografien, die ich mir immer wieder anschaue. Unter den Größen der Fotografie gibt es einige schräge Gestalten mit abenteuerlichen, sehr kurvigen Lebensläufen, die sich mit fantastischen Bildern einen Namen gemacht haben. Talent? Fehlanzeige. Mach’s genauso. Bleibe dran und übe.
Schaffe Ordnung und arbeite systematisch – das hilft dem Gehirn beim Energie sparen du lässt Dir mehr Zeit für die Fotografie.
Und jetzt im Ernst: Kein Bild verlässt Deinen PC oder Deinen Mac in Richtung Social Media oder Fotocommunity, ohne dass es durch Deine Finger gegangen ist und Du nochmals ein Auge darauf geworfen hast. Wenigstens dafür brauchst du ein paar notwendige Skills der Bildbearbeitung. Keine Angst. Das kann jeder.

So und jetzt geh‘ raus. Lass‘ Dich nicht beirren und lass‘ Dir vor allem keinen Unsinn von Laienschauspielern erzählen, die alles besser wissen und alle Nase lang mal ein Bild mit dem Smartphone machen. Und sei sicher, davon gibt es mehr als genug.

©2024 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
von Jürgen Pagel 06 Apr., 2024
Der Algorithmus von Facebook, Instagram, WhatsApp & Co. macht nicht nur einem Content Creator das Leben schwer. Jeder und jede, die mit dem Ziel, Zugriffe auf dem eigenen Account zu generieren, muss sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Auf YouTube beklagen sich zunehmend Kanalinhaber, die bisher hohe und stets zunehmende Zugriffe zu verbuchen hatten, über rückläufige Zuschauerzahlen. Instagram „lebt“ zwischenzeitlich nur noch von Reels und auch bei diesen ist es unumgänglich, sich mit den Gemeinheiten des Algorithmus auseinanderzusetzen. Es reicht nicht, ein Reel zu posten und darauf zu vertrauen, dass es von möglichst vielen Usern angesehen wird.
von Jürgen Pagel 04 Apr., 2024
Leider - und das ist eine offene Kritik an die Adresse vieler (natürlich nicht aller) Fotohändler - wird eine Kamera allzu oft mit einem sogenannten Kit-Objektiv verkauft. Dabei handelt es sich ausnahmslos um preiswerte Objektive im Zoombereich, mit denen der Käufer sofort mit dem Fotografieren beginnen kann. An sich eine gute Idee. Allerdings stellen diese Kit-Objektive den Kunden nur in Ausnahmefällen zufrieden. Sie sind nicht besonders lichtstark, d.h. die Offenblende beginnt bei f/3.5 und endet bei f/6.3 oder f/6.5. Das mag für den Anfang ausreichend erscheinen, ist es aber nicht.
von Jürgen Pagel 01 Apr., 2024
Wenn es irgendetwas gibt, dass mit vielen Fallstricken versehen, zum Stolpern eines nahezu jeden Anwenders führen kann, dann sind es das Urheberrecht (UrhG) und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Fotografen bewegen sich erfahrungsgemäß regelmäßig in beiden Bereichen. Der Street-Fotograf muss darauf achten, nicht gegenständliche Kunst und Gebäude im Hintergrund zu haben, die eine Urheberrechtsverletzung wie auch einen Verstoß gegen die DSGVO darstellen. Der Produktfotograf muss sicher sein, dass er die Logos und Etiketten von Requisiten entweder sorgfältig verbirgt oder die Rechte der Darstellung daran besitzt. Der Portraitfotograf benötigt einen Vertrag, in dem die Rechte des Models, aber auch seine eigenen Rechte definiert und geregelt sind. Das gilt für Hobby- wie für Berufsfotografen gleichermaßen.
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