Sind Instagram & Co. für Fotografen noch interessant?

Jürgen Pagel

Sind Instagram & Co. für Fotografen noch interessant?

Ein Kommentar von Jürgen Pagel

Will man die Entwicklung des Internets und dessen Bedeutung etwas besser verstehen, muss man ein wenig zurück blicken. Am 22. Mai 1990 kam Windows 3.0 auf den Markt. Das war für Microsoft seinerzeit der Durchbruch. Allein im ersten Halbjahr 1990 wurden rund 3 Millionen Kopien des damals revolutionären Betriebssystems verkauft.

In der Folgezeit (1991 bis 1995) wurden Computer erschwinglicher. Mit Word, Excel und Power Point wurden wichtige Endnutzeranwendungen entwickelt, die heute unter dem "Office-Paket" bekannt, nicht mehr wegzudenken sind.
1995 kaufte ich mir seinerzeit den ersten eigenen PC - einen Escom Power PC mit sagenhaften 33 MHz Taklung und einer Festplatte von ebenso sagenhaften 350 MB. Das war damals echt eine "Rennkiste".
Ab 1996 wurde dann das Internet immer bedeutsamer. Ich kaufte mir ein Modem und wartete Minutenlang auf eine zumeist wenig stabile Verbindung - noch immer habe ich das Piepsen und Knarzen des Modems im Ohr. Die Telefonrechnungen schossen auf Grund des Datenverbrauchs in die Höhe.

Bild digisaurier.de

Das waren noch Zeiten, über die jeder nach 2000 geborene Erdenbürger nur Schmunzeln kann.


Wer hätte gedacht, dass wir einmal zu Knechten Mark Zuckerberg's werden und uns seinem Diktat unterwerfen? Ich nicht und nur sehr wenige andere. Aber genau das ist geschehen. Die "Gemeinde" hängt im Netz. Keine Sekunde ohne eine Verbindung zum Internet. Meta, Twitter und TikTok bestimmen das Leben der heutigen Generation. Aber darum soll es nur bedingt gehen.


Die Frage dreht sich vielmehr darum: Müssen wir als Fotografen wirklich jeden Sch..... mitmachen und uns unsere Bildauswahl hinsichtlich Größe, Motiv und Beschnitt von einem Konzern diktieren lassen?

Ich meine: NEIN!


Wir sind als Fotografen sogenannte Freiberufler oder in manchen Fällen Gewerbetreibende. Das wesentliche Kriterium des Freiberuflers ist es, seinen Beruf in enger Kundenbindung, auf Honorarbasis und in einem engen Vertrauensverhältnis zum Kunden auszuüben. Wer als Fotograf massenhaft Passbilder fertigt, ist gehalten, ein Gewerbe anzumelden. Wer ausschließlich Auftragsfotografie fertigt und dabei seinen künstlerische Freiheiten keinen freien Lauf lassen kann, gilt ebenfalls als Gewerbetreibender. Die Grenzen sind allerdings oftmals fließend und nicht immer leicht, eine eindeutige Zuordnung zu treffen. Dennoch ändert das nichts an den oben genannten Kriterien des freien Berufs. Einzig steuerrechtlich gilt es, ein paar Dinge zu beachten.


Und was machen wir? Wir lassen uns vorschreiben, welche Formate und Beschnitte zu verwenden sind. Und damit sind wir in Bezug auf unsere Motivwahl deutlich eingeschränkt. Es geht nicht mehr um die Fotografie an sich und auch nicht darum, ob das dem Betrachter gefällt, sondern nur noch um massenhafte Klicks - koste es, was es wolle.


Für keinen Fotografen ist es ein Problem, sein Bild zu beschneiden. Aber er tut es nicht Meta zu Gefallen, sondern um überflüssige Bildanteile auszublenden, Teile des Motivs, die nicht zur Information beitragen und den Blick des Betrachters stören könnten, zu eliminieren. Dabei wird der Blick gelenkt  - trotz sorgfältiger Motivauswahl gelangt dennoch bisweilen etwas in's Bild, das bei der nachträglichen Betrachtung stört. Also weg damit. Aber wir beschneiden grundsätzlich nicht vom Quer- ins Hochformat. Weil dann nämlich wesentliche Bildinformationen verloren gehen. In jedweder Hinsicht. Nur sehr wenige Bilder, die im klassischen 3:2-Format aufgenommen wurden, eignen sich für 4:5 oder andere Formate.


Hier einige Beispiele:

Ortsansicht im klassischen 3:2-Format.

Dieselbe Ansicht in 5:4 - geht (noch).

Noch einmal dieselbe Ansicht in 1:1. Da wird es schon deutlich problematischer. Das Bild wirkt zweifelsohne nicht mehr. Das wäre zu korrigieren gewesen, wenn von vornherein das Bild im 1:1 aufgenommen worden wäre. Dann hätte sich ein anderer Bildausschnitt mit weniger Zoom bzw. größerer Entfernung zum Motiv ergeben.

Es gibt sicher Situationen, wo das passt. Aber "Zwangsbeschnitt" führt letztendlich dazu, dass man beim Fotografieren ausreichend Platz dafür lässt - also weitwinkelige Aufnahmetechnik oder Verzicht auf Close Up - oder seine Kamera zuvor auf das entsprechende Format einstellt. Und genau da sind wir beim Zwang.

Ich fotografiere nicht für Instagram oder für Facebook, sondern mit dem Hintergedanken, eine Bildaussage zu treffen. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut. Korrekt. Aber eben nicht dafür, dass mein Bild in das Format von Instagram oder Facebook passt. Damit geht ein erheblicher Teil, wenn nicht sogar der wesentliche Teil einer Bildaussage verloren. Ich möchte mich nicht zwingen lassen, eine andere Bildaussage des Formates wegen zu treffen. Und ich finde, niemand sollte sich zwingen lassen.
Meta im Besonderen räumt der professionellen Fotografie kenne Raum mehr ein. Reels und andere Kurzfilmvarianten sind derzeit In. Fotografien sind schlicht Out.

Deswegen ist es für mich (und andere Fotografen) vollkommen uninteressant geworden, auf diesen Kanälen irgendeine Form von teurer Werbung zu schalten. Wer über solche Kanäle werben möchte, muss im Monat viele hundert Euro in die Hand nehmen und kann sich bei dem Geschäftsmodell von Metallenen das vollkommen egal ist, wer darauf klickt (da ist ja vom südafrikanischen User bis zur algerischen userin, die für jeden Klick auf irgendeine Seite irgendwo auf der Welt 2 Ct. bekommen). Für mich (und für andere) ergibt das keinen Sinn.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass für Meta dieses Konzept ebenso wenig aufgehen wird, wie für Twitter oder TikTok. Zu schnell, zu rasant zieht die Timeline vorbei. Wer nicht permanent Online ist und diese Kanäle verfolgt, dem entgeht sehr viel. Zumal der Algorithmus bestimmt, wer was wie lange und wie oft zu sehen bekommt.

Für alle anderen, die wissen wollen, für welchen Kanal welcher Beschnitt erforderlich ist, hier eine Übersicht über die zumindest 2022 gültigen Formate. Selbstverständlich kann auch jedes andere Format gewählt werden. Aber es kommt dann zu einem willkürlich Beschnitt nach den Vorgaben des jeweiligen Social-Media-Kanals.

Bild Onlinemarketing.de

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Fazit

Wie immer so auch diesmal ein Fazit. Instagram & Co. sind bei durchschnittlichen Betrachtunsgzeiten von 0,53 Sekunden für diese Branche im Grunde uninteressant. Bunt, quirlig, Blick einfangend ist ok. Aber wirkliche Bildinhalte sind obsolet. "Gut so" mag man denken. Ja, vielleicht. Vielleicht ist das gut so. Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Also wird sich die Spreu vom Weizen auf andere Art und Weise trennen.
Wer professionell fotografiert, wird andere Kanäle für sich entdecken (müssen).


© Jürgen Pagel 2022

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Ein gutes Bild fängt Aufmerksamkeit und sticht aus der Masse hervor. Ein gutes Bild vermittelt einen Inhalt, der die Aufmerksamkeit hält. Ein gutes Bild löst Emotionen aus, hat eine ästhetische Qualität und entspricht weitestgehend grafischen Gestaltungsregeln. Ein gutes Foto muss nicht jedem gefallen. Es hat für diejenige Person, die es angefertigt hat, i.d.R. einen besonderen Wert. Allein dadurch wird es bereits zu einem „guten“ Foto. Ganz offensichtlich ist dies bei Urlaubsfotografien und Familienfotos so. Außenstehende sind bei der Betrachtung von Familienfotos oftmals genervt, während die „Fotografen“ selbst regelmäßig in Begeisterung fallen. Das Interesse ist – wie bei allen anderen Bildern auch – ausgesprochen subjektiv. Was dem einen gefällt, muss einem anderen überhaupt nicht gefallen. Das Interesse an den Motiven ist folglich subjektiv.
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