Was wird die Zukunft in der Fotografie bringen?

Jürgen Pagel

Ein Blick in die Glaskugel - ein Kommentar von Jürgen Pagel

Niemand (auch ich nicht) vermag exakt vorherzusagen, wie sich ein Markt entwickeln wird. Wer behauptet, er könnte das oder den Anschein der Allwissenheit vermittelt, sagt und schreibt die Unwahrheit.

Folglich betrachten Sie diese Zeilen bitte als das, was es sein soll: ein Blick in meine Glaskugel, die allerdings gut poliert und im hellen Licht betrachtet Dinge offenbart, die bisher meistens tatsächlich eingetroffen sind.

Analoge Fotografie
Der analoge Fotomarkt boomt. Viele junge Menschen fühlen sich erstaunlicherweise von der analogen Fotografie angezogen. Entschleunigung, einfach mal weg vom Digitalen, die Auseinandersetzung mit etwas, das eigentlich der Vergangenheit angehört sind nur einige der Gründe, warum die Preise gebrauchter Spiegelreflexkameras steigen. Die Nachfrage regelt eben doch den Preis. So werden für eine gut erhaltene und einwandfrei funktionierende Minolta XD7 durchaus Preise von 200 Euro und mehr aufgerufen. Mittelformatkameras wie die Mamiya 7 geht mit drei Objektiven für über 4.500 Euro an den Start und eine Mamiya C330 Professional liegt auch mal schnell bei 500 Euro.

Und erst die Filme. Da wird einem echt übel. So kosten 5 x Kodak 135 PORTRA 400 Professional Film 35mm Kleinbild gleich mal 100 Euro – das sind immerhin 20!!!! Euro für 26 Bilder – ohne Entwicklungs- und Laborkosten. 10 x Ilford HP5 Plus 400 120 Rollfilm schwarz-weiß liegen bei immerhin 76 Euro – das sind 7,60 Euro pro Film mit 36 Bildern, ebenfalls ohne Entwicklung.

Wer sich also den Einstieg in die Digitalfotografie nicht leisten kann oder möchte, ist mit analoger Technik nicht besser bedient. Hier schlagen v.a. die hohen Material- und Entwicklungskosten zu Buche.

Fazit
Abnehmer scheint es dennoch genug zu geben, denn der Markt wächst offensichtlich weiter und das eine oder andere Filmunternehmen erwägt den Wiedereinstieg in dieses ursprünglich totgesagte Segment.

Handyfotografie

Die Mobiltelefone werden immer besser, was aber nichts an ihrem eigentlichen Zweck ändert. Vorrangig sind sie nun mal zum Telefonieren da. Bilder machen sie nebenbei, auch wenn manch ein Hersteller das gerne anders darstellt. Was sonst sollen sie auch bewerben? Die Technik ist ausgereift, telefonieren können sie alle und ob das nun beim Tipp mit dem Finger 1/1000 Sekunde schneller oder langsamer geht, liest sich auf dem Papier spannend, ist jedoch in der Praxis vollkommen unrelevant. Zumal in Kinos das Aufzeichnen von Filmen immer noch verboten ist und Handys im Auto auch nur zum Telefonieren in Verbindung mit einer Freisprecheinrichtung einigermaßen günstig sind. Erstaunlich: ich sehe immer wieder (als Vielfahrer) unzählige Leute unterwegs, die Autos im Wert von 100.000 Euro und mehr durch die Gegend bewegen, aber für eine Freisprechanlage hat entweder das Geld nicht gereicht oder die Kopplung via Bluetooth ist so kompliziert, dass sie es nicht verstehen, was mich wieder zu dem Spruch verleitet, dass nicht jeder, der einen Daimler fährt, sich redlich von der Arbeit nährt.


Schaut man sich die Bilder von Mobiltelefonen an, sind sie matschig, unscharf, defokussiert und für einen professionellen Fotografen einfach mager. Dass sie so aussehen, wie sie aussehen, liegt vornehmlich an den superkleinen Sensoren, die eine enorme Rechenleistung bedingen, um aus den paar Pixeln wenigstens etwas herauszuholen, dass für die sozialen Medien als ausreichend empfunden werden kann. Und mit angeberischen 100 Megapixeln ist nichts gewonnen. Die allein machen ein Bild nicht gut.


Fazit

Kann man machen, muss man aber nicht. Zumal Sie für die 1.200 Euro, die ein gutes Mobiltelefon heutzutage mit einer akzeptablen Kamerafunktion kostet, Sie durchaus eine Kamera im digitalen Einsteigersegment erhalten, welche die Fotos eines Mobiltelefons bei weitem übertrifft. Eines geht damit allerdings nicht: telefonieren, darauf müssen Sie beim Fotografieren verzichten.

Für Schnappschüsse ok. Das war es dann aber auch. Würden sich die Hersteller auf den eigentlichen Zweck eines Mobiltelefone beschränken, könnten diese um mindestens 70% günstiger angeboten werden.


Digitaler Markt

Die Verkaufszahlen der Hersteller sind nach zwei fetten Corona-Jahren eingebrochen. Auch wenn der eine oder andere Marktführer immer noch guten Zahlen aufweisen kann, ist die Tendenz doch eindeutig. Deswegen kommen mittlerweile im Jahrestakt eine Vielzahl neuer Kameras auf den Markt, deren Sinn und Zweck man nicht immer versteht bzw. verstehen muss. Die aber eines gemeinsam haben – sie sind allesamt sehr teuer. Amateurfotografen müssen schon mal 2.500 Euro aufwärts hinblättern und das Profisegment startet bei ca. 4.500 Euro – Body only wohlbemerkt. Das bedeutet, dass die Hersteller die schwindenden Verkaufszahlen durch deutlich höhere Preise wettzumachen versuchen und vor allem im wohlhabenden Amateurmarkt zu fischen.

Dabei kommt auch manch Unnötiges unter die Leute, wie beispielsweise die Canon PowerShot V10, die schlechtere Bilder macht als ein Handy, wohl für die TikTok’er gedacht ist, dort aber wohl keine Abnehmer finden wird. Wer filmt mit einer PowerShot, wenn er ein Handy sowieso in der Hand hat? Und für TikTok sind die Qualitätsansprüche offensichtlich niedriger, als Canon hofft. Nun sei es drum.


Mit Sensoren, die 40 MP und mehr im APS-C-Markt bringen, scheint das Ende der Vernunftsfahnenstange erreicht. Selbst diese Datenmenge will nicht nur kameraintern verarbeitet werden, sondern sie stellt auch deutlich höhere Ansprüche an Soft- und Hardware Ihres Rechners, als das bei 24 MP der Fall ist.
Und wenn Sie sich tatsächlich mal im Profimarkt umschauen, fotografiert dort kaum einer mit mehr als 26-30 MP. Wer im Segment der Reportage (egal ob Sport oder Weltnachrichten) unterwegs ist, begnügt sich mit 12 MP. Erstens sind die Datenmengen schneller und leichter zu übertragen und zweitens benötigen weder die Printmedien noch Online-Medien tatsächlich höhere Auflösung. Selbst im großformatigen Druck reichen bis DIN A3 problemlos 24 MP vollkommen aus, zumal sich dank Topaz AI oder ähnlicher Software die Auflösung nahezu verlustfrei mindestens verdoppeln, wenn nicht sogar vervierfachen, wobei bei Letzterem Verluste in Kauf genommen werden müssen.


Dieses ganze „Haben ist besser als brauchen“, „Megapixel kann man nie genug haben“ und „Vollformat ist sowieso die bessere Lösung“ hat ausgedient. Das sind Suggestionen von Marketingstrategen, die sowieso nur an Verkaufszahlen denken. Ob das nun einen Sinn ergibt oder nicht, ist nachrangig.

Fazit
Vollformat ist gut, APS-C in vielen Fällen auch für einen professionellen Bild Look mehr als ausreichend.

Worüber niemand so wirklich spricht, sind die Objektive. Nikon bietet hier auf Basis der Nikon Z9 einen umfassenden Bestand, wobei die lichtstarken kaum unter 1.000 Euro zu bekommen sind.
Ansonsten sind die meisten Objektive für hochauflösende Kameras derzeit nicht gerechnet. Sie funktionieren, keine Frage. Aber sie sind nicht im Stande, die vollen 40, 50 oder mehr Megapixel vollumfänglich zu nutzen. Hier muss offensichtlich noch viel Entwicklungsarbeit geleistet werden, was die Preise auch für passende Objektive in die Höhe treiben wird.


Quo vadis

Hier ist sie, die ultimative Vorausschau. Die Kamerahersteller werden noch einige Jahre gute Umsätze im Segment der Amateurfotografie erzielen können. Tendenz wird jedoch wieder mehr „Back to the Roots“ sein. Panasonic hat mit der S5IIX sicher alles richtig gemacht. Sie kostet auch 2.500 Euro, aber sie bietet ein perfektes Paket für Einsteiger wie Fortgeschrittene in der Foto- wie der Videografie. Wer im professionellen Segment unterwegs ist, wird eher zur neuen Nikon Z8 greifen, die deutlich mehr als eine abgespeckte Variante der Z9 ist. Da werden sich die anderen Hersteller mächtig anstrengen müssen, um den Anschluss nicht zu verlieren.


Die KI ist keineswegs der Feind der Fotografie. Nur wird sie die Fotografie verändern und Fotografen müssen mit der Zeit gehen. Wie heißt es so schön: wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Die KI wird die Fotografie nicht ablösen (können). Es werden noch Jahre vergehen, bis diese künstliche Intelligenz nicht dauernd Menschenportraits sechs Finger von gleicher Länge „andichtet“ oder Augen wirklich echt wie auf einem Foto aussehen. Produktfotografie, Food Photography und Portraits werden auch weiterhin ihre Berechtigung haben. Sie werden mit der KI besser (wie übrigens auch schon in den vergangenen Jahren), aber als Ersatz sehe ich darin keine Gefahr.
Außerdem ist die Zahl der Profifotografen in Deutschland sehr gering. Da wird für jeden eine Nische bleiben, in der es sich vortrefflich fotografieren lässt.


© 2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design

Neunzehn58 Photographie

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In der banalen Fotografie geht es nicht um das Ergebnis. Hier ist der Prozess des Fotografierens entscheidend. Oder eher die Fähigkeit, seine Umgebung wahrzunehmen und in einfachen Sachen das Schöne zu finden. Oder ein nur darum, Hässliches zu fotografieren. Ob der Betrachter das auch interessant findet, liegt nicht in der Macht, aber auch nicht in der Absicht des Fotografen. Keineswegs ist es eine Ausrede für schlechte Bilder und es geht nicht darum, schlechte Bilder schön zu reden. Banale Fotografie ist vielmehr eine Schulung für die eigenen Augen und Sinne.
Frau mit Kamera auf Safari
von Jürgen Pagel 4. November 2024
Du kennst das sicher. Jeder Fotograf und jede Fotografin kennt das - ein Tag der Lustlosigkeit. Am Wochenende Zahnschmerzen gehabt, das Knie schmerzt und der Rücken zwickt. Kein Bock zum Fotografieren. Eigentlich nicht weiter schlimm. Aber sich dem Hinzugeben ist mir zuwider. Also den Hund und die Kamera geschnappt und das 100mm f/1.5 von TTArtisan aufgeschraubt (M42 auf Adapter für den X-Mount) - also auf die Kamera, nicht auf den Hund. Das Wetter nicht so toll. Kalt, feucht und diesig, erst gegen Mittag kam die Sonne hervor.
Junge Frau mit einer Kompaktkamera in der Hand.
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Wir Fotografen wissen es schon längst: "Nicht die Kamera macht das Bild, sondern der Fotograf". Dieser mittlerweile "phrasenhafte" Satz, für den 5 Euro in's sogenannte Phrasenschwein geworfen werden müssen, ist einerseits richtig, andererseits jedoch erläuterungsbedürftig. Fotografieren hat enorm viel mit Sehen zu tun. Sehen lernen und sehen können ist der Schlüssel für spannende, emotionale, dokumentarische, erlebnisbehaftete und technisch gute Fotografien (gleiches gilt übrigens auch für die Videografie). Und zusätzlich zu der gehörigen Portion des Sehens kommt noch eine ordentliche Prise Licht dazu. Dieser Mix ist es, der neben der Bildbearbeitung, die eigentliche Fotografie ausmacht.
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Einfach nur da sein. Da sein am Ort, auf der Straße, im Wald, auf dem Feld – egal. Wo auch immer. Das ist das wichtigste Rüstzeug für die Fotografie. Da sein. Wer immer nur in den eigenen vier Wänden sitzt, steht oder liegt, hat es komfortabel. Du machst heute das Gleiche wie gestern. Das ist sogar sehr komfortabel. Aber du bist nicht da. Nicht da, wo etwas ist, was sich nicht wiederholen wird, das einmalig ist. Nur jetzt und heute. Morgen ist es vollkommen anders. Es zählt einzig der Moment. Das Hier und Jetzt. Genau in diesem Moment.
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Der Sweet Spot bezeichnet den optimalen Einstellungswert der Blende beim Fotografieren. Dieser Wert wird auch als "förderliche Blende" oder "mittlere Blende" bezeichnet. Er ermöglicht eine optimale Abbildungsleistung sowie einen optimalen Kontrast.
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Fotografie ist nicht nur das Malen mit Licht, sondern vor allem das Festhalten eines Augenblicks. Eines Moments, der genau jetzt und hier so ist, wie er ist. Eine Sekunde später haben sich die Situation, das Wolkenbild, die Lichtwirkung auf das Motiv, vielleicht sogar das Motiv selbst sich verändert – meist nicht wiederholbar verändert.
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Ein gutes Bild fängt Aufmerksamkeit und sticht aus der Masse hervor. Ein gutes Bild vermittelt einen Inhalt, der die Aufmerksamkeit hält. Ein gutes Bild löst Emotionen aus, hat eine ästhetische Qualität und entspricht weitestgehend grafischen Gestaltungsregeln. Ein gutes Foto muss nicht jedem gefallen. Es hat für diejenige Person, die es angefertigt hat, i.d.R. einen besonderen Wert. Allein dadurch wird es bereits zu einem „guten“ Foto. Ganz offensichtlich ist dies bei Urlaubsfotografien und Familienfotos so. Außenstehende sind bei der Betrachtung von Familienfotos oftmals genervt, während die „Fotografen“ selbst regelmäßig in Begeisterung fallen. Das Interesse ist – wie bei allen anderen Bildern auch – ausgesprochen subjektiv. Was dem einen gefällt, muss einem anderen überhaupt nicht gefallen. Das Interesse an den Motiven ist folglich subjektiv.
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