Kreative Fotografie vs. Auftragsfotografie

Jürgen Pagel

Der feine Unterschied zwischen kreativer Fotografie und Auftragsfotografie

Ich gebe zu, dass ich mir bis zu meinem Einstieg in die „klassische“ Auftragsfotografie wenig bis gar keine Gedanken über den Unterschied gemacht habe. Das eine – nämlich die kreative Fotografie – schließt das andere – die Auftragsfotografie – zwar nicht aus, dennoch gibt es Unterschiede, die es zu beachten gilt.

Kreative Fotografie
Du setzt Dir ein Ziel, z.B. einen Herbstwald zu fotografieren, vielleicht auch ein paar einzelne bunte Blätter (das passt prima zum Thema „Herbst“).
Du nimmst Dir Deinen Kamerarucksack, vielleicht auch nur eine Kamera und ein Objektiv und machst Dich auf die Suche. Ob zu Fuß oder mit dem Auto bzw. dem Fahrrad spielt dabei zunächst keine Rolle, wobei Du „zu Fuß“ deutlich mehr Motive vor die Linse bekommst, als wenn Du mit dem Auto fährst. Aber die Art der Fortbewegung ist wertungsfrei und bleibt jedem selbst überlassen.
Du findest ansprechende Motive, fotografierst sie aus allen erdenklichen Lagen, kommst mit großer Ausbeute nach Hause und machst Dich vor dem heimischen Bildschirm an die Auswahl.
Der Bildbearbeitung oder besser der Entwicklung Deiner Bilder kommt in der kreativen Fotografie eine wesentliche Bedeutung zu. Ich bin kein Freund des sogenannten OOC (Out Of Cam) bzw. des SOOC (Straight Out Of Cam) – weil es das streng genommen gar nicht gibt. Jedes Bild wird in der kameraeigenen Software bereits vorbearbeitet. Auch das RAW. JPEG’s unbedingt. Vor allem solche, die mit einer Fujifilm-Kamera aufgenommen wurden, weil das ja gerade der Clou ist – Fujifilm erlaubt durch seine einstellbaren Presets einen ganz besonderen Look aus der Kamera heraus. Allerdings nur bei den JPEG’s. Das ist toll und macht riesig Spaß, ist vor allem kreativ. Aber es ist eben nicht im Sinne eines OOC oder eines SOOC. Und weil es das nicht gibt, muss man auch nicht so tun, als wären die Bilder unbearbeitet. In der analogen Fotografie wäre auch niemand auf die Idee gekommen, einen nicht entwickelten Film in ein Fotoalbum zu kleben.
Bei der Entwicklung nun kannst Du Dich austoben. Du kannst Einfluss auf die Farbstimmung nehmen, ja sogar einzelne Farbbereiche definieren. Die Helligkeit, die Kontraste, die Lichter, das Setzen von Masken – nichts bleibt unberührt. Bis es am Ende so ausschaut, wie Du Dir das vorgestellt hast. Das nennt man übrigens einen kreativen Prozess.
Ob das dann anderen gefällt, steht auf einem anderen Blatt. Kann sein. Muss aber nicht. Auch das ist Kreativität – nämlich die des Betrachters.

Ganz anders bei der Auftragsfotografie.
Ich bin ja nun fast täglich für ein großes finnisches Lieferdienstunternehmen aktiv. Und hier gibt es klare, eindeutige Vorgaben im Segment der Food & Beverage Fotografie. Da rückt die Kreativität in den Hintergrund. Weil das nicht gewünscht ist. Weil der Kunde genau das nicht verlangt. Der Kunde möchte ein Bild von vorne oder/ und von oben mit einer eindeutigen Bildaussage. DAS ist genau das Essen oder Trinken, das der Gast bestellt bzw. bestellen möchte. Nicht mehr und nicht weniger. Da ist kein Raum für Kreativität. Etwas heller, weniger Tiefen, ein klein wenig mehr Dynamik und einen Tick mehr Sättigung. Fertig. Fast SOOC ;-) – wenn es das gäben täte.
Dann und nur dann können verschiedene Fotografen in vielen Städten in Europa und Asien für eine einzige App Fotografien anfertigen.
Mit anderen Worten: Jedes Bild muss sitzen. Spektakuläre Effekte sind ebenso unerwünscht, wie nachgeschärfte oder nachbelichtete Bilder. Der Beschnitt ist vorgegeben und da bleibt kein Spielraum. Den Ausschnitt zu klein gewählt bedeutet, dass der vorgegebene Beschnitt nicht passt. Also ausschneiden und auf einen Blankohintergrund einfügen. Das geht, ist aber viel Feinarbeit, die enorm Zeit kostet und die Vorgabe ist, heute Nachmittag zu fotografieren und am Abend die fertigen Bilder in die Cloud zu laden. Da bleibt keine Zeit für Spielereien.

Kundenauftrag

Eigene Kreativität

Auch beim Kunden selbst bleibt keine Zeit für Spielereien. Meistens taucht man als Fotograf im Kundenverkehr auf. Ein Kommen und Gehen. Alle im Stress. 5 Minuten Aufbau, einige Probeschüsse, den Blitz nachregulieren, den Reflektor ausrichten und los geht es. Je nach Anzahl der Bilder ist man in einer Stunde fertig und Tschüss zum Nächsten.


Und weißt Du was? Das macht riesigen Spaß. Weil es anders ist. Grundlegend anders. Weil man einen klar definierten Auftrag bekommt, den man zu erfüllen hat. Punkt.


Natürlich gibt es auch Bereiche der Food-Fotografie, bei denen man vollkommen anders arbeiten kann, darf und muss; wo Kreativität gefordert wird, weil der Kunde spektakuläre Fotografien mit Splash und Wassernebel haben möchte. Aber auch das ist Auftragsfotografie und solche Aufträge müssen ebenso mit der gleichen Sorgfalt erfüllt werden. Am Ende MUSS es stets dem Kunden gefallen. Es gibt kein „das gefällt mir nicht so gut, aber ich nehm‘ es trotzdem“.


Fazit

Man muss das mögen und sicher ist das nichts für Jedermann oder jede Frau. Aber man bekommt einen ganz anderen Blick für die freie, kreative Fotografie und lernt zu schätzen, wie schön Bildbearbeitung nach Gutdünken sein kann.


©2022 Lichtwerk.Design


Neunzehn58 Photographie

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In der banalen Fotografie geht es nicht um das Ergebnis. Hier ist der Prozess des Fotografierens entscheidend. Oder eher die Fähigkeit, seine Umgebung wahrzunehmen und in einfachen Sachen das Schöne zu finden. Oder ein nur darum, Hässliches zu fotografieren. Ob der Betrachter das auch interessant findet, liegt nicht in der Macht, aber auch nicht in der Absicht des Fotografen. Keineswegs ist es eine Ausrede für schlechte Bilder und es geht nicht darum, schlechte Bilder schön zu reden. Banale Fotografie ist vielmehr eine Schulung für die eigenen Augen und Sinne.
Frau mit Kamera auf Safari
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Du kennst das sicher. Jeder Fotograf und jede Fotografin kennt das - ein Tag der Lustlosigkeit. Am Wochenende Zahnschmerzen gehabt, das Knie schmerzt und der Rücken zwickt. Kein Bock zum Fotografieren. Eigentlich nicht weiter schlimm. Aber sich dem Hinzugeben ist mir zuwider. Also den Hund und die Kamera geschnappt und das 100mm f/1.5 von TTArtisan aufgeschraubt (M42 auf Adapter für den X-Mount) - also auf die Kamera, nicht auf den Hund. Das Wetter nicht so toll. Kalt, feucht und diesig, erst gegen Mittag kam die Sonne hervor.
Junge Frau mit einer Kompaktkamera in der Hand.
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Wir Fotografen wissen es schon längst: "Nicht die Kamera macht das Bild, sondern der Fotograf". Dieser mittlerweile "phrasenhafte" Satz, für den 5 Euro in's sogenannte Phrasenschwein geworfen werden müssen, ist einerseits richtig, andererseits jedoch erläuterungsbedürftig. Fotografieren hat enorm viel mit Sehen zu tun. Sehen lernen und sehen können ist der Schlüssel für spannende, emotionale, dokumentarische, erlebnisbehaftete und technisch gute Fotografien (gleiches gilt übrigens auch für die Videografie). Und zusätzlich zu der gehörigen Portion des Sehens kommt noch eine ordentliche Prise Licht dazu. Dieser Mix ist es, der neben der Bildbearbeitung, die eigentliche Fotografie ausmacht.
Kamera auf einer Landkarte liegend
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Einfach nur da sein. Da sein am Ort, auf der Straße, im Wald, auf dem Feld – egal. Wo auch immer. Das ist das wichtigste Rüstzeug für die Fotografie. Da sein. Wer immer nur in den eigenen vier Wänden sitzt, steht oder liegt, hat es komfortabel. Du machst heute das Gleiche wie gestern. Das ist sogar sehr komfortabel. Aber du bist nicht da. Nicht da, wo etwas ist, was sich nicht wiederholen wird, das einmalig ist. Nur jetzt und heute. Morgen ist es vollkommen anders. Es zählt einzig der Moment. Das Hier und Jetzt. Genau in diesem Moment.
Objektivreihe
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Der Sweet Spot bezeichnet den optimalen Einstellungswert der Blende beim Fotografieren. Dieser Wert wird auch als "förderliche Blende" oder "mittlere Blende" bezeichnet. Er ermöglicht eine optimale Abbildungsleistung sowie einen optimalen Kontrast.
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Fotografie ist nicht nur das Malen mit Licht, sondern vor allem das Festhalten eines Augenblicks. Eines Moments, der genau jetzt und hier so ist, wie er ist. Eine Sekunde später haben sich die Situation, das Wolkenbild, die Lichtwirkung auf das Motiv, vielleicht sogar das Motiv selbst sich verändert – meist nicht wiederholbar verändert.
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Ist es langweilig, immer dasselbe zu fotografieren? Auch hier, wie in vielen anderen Lebenssituationen, antwortet Radio Eriwan*): „Es kommt darauf hin. Im Prinzip ja, aber …“.
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Ein gutes Bild fängt Aufmerksamkeit und sticht aus der Masse hervor. Ein gutes Bild vermittelt einen Inhalt, der die Aufmerksamkeit hält. Ein gutes Bild löst Emotionen aus, hat eine ästhetische Qualität und entspricht weitestgehend grafischen Gestaltungsregeln. Ein gutes Foto muss nicht jedem gefallen. Es hat für diejenige Person, die es angefertigt hat, i.d.R. einen besonderen Wert. Allein dadurch wird es bereits zu einem „guten“ Foto. Ganz offensichtlich ist dies bei Urlaubsfotografien und Familienfotos so. Außenstehende sind bei der Betrachtung von Familienfotos oftmals genervt, während die „Fotografen“ selbst regelmäßig in Begeisterung fallen. Das Interesse ist – wie bei allen anderen Bildern auch – ausgesprochen subjektiv. Was dem einen gefällt, muss einem anderen überhaupt nicht gefallen. Das Interesse an den Motiven ist folglich subjektiv.
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