Beitrag wurde aktualisiert am 21.04.2023
Zunächst die alles entscheidende Frage: Was fotografierst Du (überwiegend)?
Bist Du viel unterwegs? Dann hat die APS-C-Kamera gegenüber einem Vollformatsystem meist den Vorteil, leichter zu sein (zumindest was den Body anbelangt). Auch die Objektive sind in aller Regel etwas kleiner und damit zumeist leichter. Ach, die 100 Gramm mehr oder weniger magst Du sagen. Bedenke, bei einem Städtetrip oder einem Fotowalk durch die Landschaft legst Du gut und gerne 12 – 15.000 Schritte zurück. Das ergibt in Summe ein Mehrgewicht von 1.500 Kilogramm. Wenn Du bedenkst, dass jedes Gramm mehr, das Du mit Dir herumträgst, Deine Gelenke auch mehr belastet, ist das schon ganz schön viel. Gut, Du könntest ein paar Kilo abspecken oder endlich mal mit dem Krafttraining anfangen. Das wäre in der Tat zielführend, hilft Dir aber zunächst nicht bei Deiner Entscheidung.
Du fotografierst die meiste Zeit vom Stativ aus?
Dann wäre der Gewichtsvorteil eines APS-C-Systems nicht mehr so sehr relevant.
Du willst bei einem Städtetrip weitestgehend unerkannt bleiben?
Da die APS-C-Systeme meist kleiner sind, fällst Du weniger auf. So ein „fettes“ Objektiv auf einer Vollformat-Kamera macht den meisten Menschen Angst. Du wirst als „Profi“ (wer auch sonst läuft mit einem „Klopper“ wie der Nikon Z9 mit einem 24-200er Zoom durch die Gegend, was in Bezug auf die Streetfotografie allerdings auch wenig zielführend wäre) identifiziert und niemand will auf’s Bild. Der Erklärungsbedarf steigt und Du musst schon sehr extrovertiert sein, um die Fragen, die zwangsläufig auftreten, auszuhalten. Da ist so eine Fujifilm X100F/V oder eine Nikon Z50 die bessere Wahl.
Das bringt mich gleich zur nächsten Frage.
Du willst Dir das Geld für teure Zoom-Objektive mit großen Brennweiten sparen?
Auch dann ist APS-C die bessere Wahl. Eine 50mm Standardbrennweite entspricht im Vollformat-Äquivalent auf Grund des Cropfaktors einer Brennweite von ca. 80mm. Der Bildausschnitt wird kleiner, aber dafür bist Du näher dran. Eine 135mm Brennweite entsprechen dann schon ca. 210mm und eine 200mm Brennweite immerhin einem 320mm-Zoom. Das können dann schon entscheidende Unterschiede sein – vorausgesetzt, Du hast eine Stabilisierung im Objektiv, in der Kamera oder in beidem, um auch mit längeren Verschlusszeiten noch aus der Hand fotografieren zu können.
Ist der Preis für Dich ein Argument?
Auch dann hat das APS-C-System deutliche Vorteile – v.a. hinsichtlich der Objektivauswahl. Die nämlich stehen mittlerweile qualitätsmäßig ihren vollformatigen Konkurrenten kaum noch etwas nach, sind aber in der Regel deutlich günstiger. Auch die APS-C-Kamera ist zumeist 20-30% günstiger.
Aber was ist mit der Abbildungsleistung?
Auch hier steht das APS-C-System keineswegs hintenan. Die Abbildungsleistung ist nämlich nicht ausschließlich von der Sensorgröße abhängig, sondern vor allem vom Aufbau des Objektivs. Es macht also durchaus Sinn, mehr Geld in gute Objektive zu investieren. Abgesehen vom Bildausschnitt kann ein fotografischer Laie kaum einen Unterschied zwischen einer Aufnahme, die mit einer Vollformatkamera gemacht wurde, von einer APS-C-Aufnahme ausmachen. Gleiches gilt auch für das MFT-Format. Hierbei gibt es ein paar „Spezialitäten“, aber im Großen und Ganzen kann man auch damit für nahezu alle Anwendungszwecke großartige Bilder machen, die den Ansprüchen der meisten Hobby-Fotografen gerecht werden.
Worin liegen aber nun die Vorteile einer größeren und schwereren Vollformatkamera?
Kameras mit größeren Pixeln liefern in der Regel bessere Bildqualität bei hohen ISO-Empfindlichkeiten als Kameras mit kleineren Sensorgrößen. Daher profitieren Besitzer einer Vollformatkamera nicht nur von einer besseren Bildqualität bei einem höheren ISO-Wert, sondern können auch bei sich verschlechternden Lichtverhältnissen weitere Aufnahmen machen.
Ein weiterer Vorteil einer Vollformatkamera ist der Dynamikbereich. Kleine Pixel können sich schneller mit Licht füllen als größere Pixel, was einen direkten Einfluss auf die Details im betroffenen Bereich der Aufnahme hat, es wird wesentlich wahrscheinlicher, dass feiner Details in diesem Bereich verloren gehen. Auf der anderen Seite des Spektrums ist es schwierig, in schattigen Bereichen eine detailreiche Aufnahme zu machen, denn kleinere Pixel werden typischerweise stärker durch das Verhältnis von Bildrauschen zum aufgenommenen Licht gestört. Das bedeutet, dass es für die Kamera schwierig ist, feine Details in dunklen Bereichen aufzunehmen, ohne das Bildrauschen deutlich zu erhöhen.
Ein Vorteil bei der Fotografie von Landschaften mit einer Vollformatkamera ist, dass bei gleichbleibender Brennweite ein größerer Bildwinkel entsteht. Das bedeutet, was Du mit einer APS-C-Kamera mit einem Objektiv mit 10 mm Brennweite aufzeichnet, kannst Du mit einer Vollformatkamera bereits mit einem Objektiv mit 16 mm Brennweite aufnehmen.
Der entscheidendste Unterschied zwischen einer Vollformatkamera und einer Kamera mit kleinerem Sensor ist, dass bei letzterer der sogenannte „Crop-Faktor“ bei Objektiven berücksichtigt werden muss.
APS-C- oder MFT-Kameras benutzen nur einen kleineren Ausschnitt des Objektivs, um ein Bild aufzunehmen. Das bedeutet, dass die effektive Brennweite länger ist als beim selben Objektiv an einer Vollformatkamera. So sehen Bilder, die mit einem 50 mm-Objektiv an einer APS-C Kamera (Crop-Faktor von 1,6) aufgenommen wurden so aus, als ob sie tatsächlich mit einem 80mm-Objektiv aufgenommen wurden. Aufnahmen, die mit einem 100 mm-Objektiv aufgenommen wurden, sehen dann schon so aus, als ob sie mit einem 160 mm-Objektiv aufgenommen wurden. Wie bereits beschrieben - für den Laien kaum ein Unterschied, dennoch wirkt auf Grund der größeren Brennweite der Hintergrund komprimierter.
Für manche Aufnahmen ist es von Vorteil, wenn eine lange Brennweite genutzt wird. Wenn es sich aber um Landschaftsaufnahmen, Architekturfotografie oder sonstige Aufnahmen handelt, die üblicherweise eine lange Brennweite erfordern, kann dies ein Hindernis darstellen, denn solche Fotografien entfalten ihre größte Wirkung mit einem Weitwinkelobjektiv.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine Vollformatkamera größere Flexibilität bei der Gestaltung der Schärfentiefe ermöglicht.
Bei großen Blenden hast Du im Vollformat größere Gestaltungsmöglichkeiten als mit einer APS-C- oder MFT-Kamera. Die dargestellte Schärfentiefe ist geringer als bei einer solchen Kamera, so dass Du die Schärfe sehr selektiv auf ein bestimmtes Detail setzten kannst.
Dadurch können Porträtfotografen ihr Motiv stärker vom Hintergrund abheben, dies kann auch für Tierfotografen von Vorteil sein. Dazu kommt und das wird gerne vergessen, dass Du auch bei der Lichtstärke eines Objektivs den Crop-Faktor miteinbeziehen musst. So wird aus einer für Vollformat gültigen Offenblende von f/1.8 im APS-C-Format eine f/2.8. Gerade wenn es um Freistellung des Motivs bzw. um Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen geht, ist dieser Unterschied gewaltig und nur mit einer Verlängerung der Verschlusszeit oder einer höheren ISO zu kompensieren – was erstens zu mehr Rauschen führt und zweitens die Gefahr von Verwacklungsunschärfen erhöht.
Fazit
Du siehst also, es kommt darauf an, für welchen Zweck Du die Kamera überwiegend einsetzen willst. Ich würde die Bereiche Hobby und professionelle Fotografie gar nicht weiter differenzieren wollen. Der professionelle Fotograf unterscheidet sich vom Hobbyisten selten durch die Qualität seiner Bilder, sondern durch die Tatsache, dass er mit der seiner Art der Fotografie seinen Lebensunterhalt verdient.
Grundsätzlich lässt sich alles mit allem fotografieren. Jedes Bild ist besser als gar keines. Wenn ich es mir genau überlege, sind die Unterschiede deutlich geringer, als ich das zu Beginn meiner fotografischen Laufbahn dachte.
Größere Dynamik – auch APS-C-Kameras wie die Fujifilm X-T4 verfügen über eine ausgezeichnete Dynamik. Größerer Bildausschnitt – ja, der lässt beim Beschneiden des Bildes etwas mehr Spielraum, aber das lässt sich beispielsweise mit Topaz AI weitestgehend kompensieren. Schöneres Bokeh? Das Bokeh ist in erster Linie ein Produkt des Objektivs und nicht des Sensors. Seifenblaseneffekte im Gegenlicht lassen sich mit einem Helios 44-2 f/2.0 an einer APS-C-Kamera ebenso erzeugen, wie mit einer Vollformatkamera. Sie sind keineswegs besser oder schlechter – nur etwas anders. Gleiches gilt für die Freistellung. Auch die ist in erster Linie eine Leistung der Optik sprich der Blende und weniger die des Sensors. Ja, der Hintergrund sieht im APS-C-Format etwas anders aus. Aber die Unterschiede sind bei genauerer Betrachtung eher marginal.
Vielleicht ein Tipp als Kompromiss: Hauptkamera Vollformat, Backup-Kamera APS-C (oder MFT) = großer Geldbeutel. Hauptkamera APS-C mit erstklassigen Objektiven (gerne Vollformat, denn Vollformat-Objektive an APS-C geht problemlos, APS-C-Objektive an Vollformat geht nur mit Vignettierung, da der Bildkreis kleiner als der Sensor ist).
Ob das APS-C-Format überhaupt noch zeitgemäß ist, entscheidest Du als Nutzer. Wenn die Leute nur noch Vollformat-Kameras kaufen, verbunden mit der Hoffnung, damit die besseren Bilder zu machen, wird das APS-C-Format irgendwann in naher Zukunft zu Grabe getragen werden. Das jedoch dafür ein Markt für APS-C besteht, zeigen die Bemühungen von Canon, auch in dem Marktsegment Fuß zu fassen, in dem Fujifilm schon lange zu Hause ist.
Was jedoch in den Köpfen der Marketingstrategen vor sich geht, wissen nur diese selbst. Vieles ist nicht immer nachzuvollziehen, manche Entscheidungen bleiben im Dunklen und allzu oft sitzen wir als Fotografen den Werbeversprechen auf, um im Nachhinein festzustellen, das doch nicht alles Gold ist, was glänzt.
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