1 EQUIPMENT
Es gibt eine Menge Sachen, die zum Fotografendasein dazugehören. Etwas, von dem du einhundertprozentig zu viel hast, ist Equipment. Und es ist vollkommen normal, dass du davon immer zu viel kaufst. Ich schließe mich dabei nicht aus.
Wie oft hast du eigentlich deinen Belichtungsmesser eingesetzt? Einmal, zweimal? Ich meinen übrigens noch nie. Oder dein 400mm Zoom für 1.200 Euro? Oder alle deine Rucksäcke auf einmal?
Wir sind uns einig, dass man ND-Filter für bestimmte Einsatzzwecke (Langzeitbelichtungen am Tag, Einfrieren von Wasserbewegungen auf einem See u.a.) zwingend benötigt. Aber eben nur dann, wenn das auch zu deinem Portfolio gehört. Du hast sicher schon mal etwas gekauft, um auszuprobieren, ob der zugedachte Einsatzzweck auch etwas für dich und dein Portfolio ist. Aber genutzt hast du es letztendlich nie. Deswegen überlege dir vorher, welchen Zweck du erwartest und prüfe intensiv, ob du das auch wirklich brauchst. Ja, auch ich hätte gerne noch eine Fujifilm X100V. Oder eine 84er Canon F-1 New. Aber ich habe schon eine X100F, die nicht wirklich schlechter als das Nachfolgemodell ist und dreianaloge Spiegelreflexkameras von Minolta. Mehr als fotografieren geht nicht.
Bedenke: je mehr Equipment du dein eigen nennst, desto schwieriger wird beim Einsatz die Entscheidung, was von dem du schlussendlich mitnimmst. Ausnahme: du hast einen Crafter oder einen Multivan. Und drei Leute, die ständig deine Ausrüstung herumtragen.
2 SOCIAL MEDIA + LIKES
Facebook, Instagram und Co. werden regelmäßig überbewertet. Wie haben das nur die Fotografen vor dreißig Jahren gemacht? Ohne all den Social Media - Kram? Die sind doch auch ohne das Alles bekannt geworden. Vor allem durch wirklich gute Bilder. Und diejenigen, die das interessiert hat, haben diese Bilder auch gefunden. Anders. Aber gefunden. Das funktioniert heute noch ganz genauso.
Ich meine das wirklich ernst. Du postest ein Bild und 2.000 finden das toll - ob sie das wirklich toll finden weißt du nicht. Es ist ein "Like" darunter, was nicht bedeutet, das ihnen das Bild wirklich gut gefällt. Ein nächstes Mal hast du 5.000 Likes, ein weiteres Mal nur 200. Und jetzt? Postest du nur noch Fotos, für dessen Stil du die 5.000 bekommen hast? Auch dann, wenn dir das eigentlich selbst gar nicht gefällt? Oder postest du nur Bilder, wofür du viele Likes bekommst, von denen du zunächst einmal nichts hast? Wirst du depressiv, weil dich der Algorithmus hinten durchfallen lässt, also du noch nicht einmal selbst entscheiden kannst, wer dein Bild zu sehen bekommt und wer nicht? Man muss sich wirklich einmal ernsthaft fragen, was das eigentlich soll.
Ob Bilder als toll, schön, herausragend oder was auch immer empfunden werden, ist reine Geschmacksache. Mache dich nicht zum Sklaven von Social Media. Wenn du Bock darauf hast, deine Bilder zu zeigen, dann tue es. Aber tue es nicht für Likes. Denn dafür kannst du dir nichts kaufen. Und ob DEINE potentiellen Kunden sich tatsächlich auf Facebook, Twitter und Instagram herumtreiben, musst du im Vorfeld sehr genau analysieren. Um in diesen Medien erfolgreich zu sein, brauchst du neben sehr viel Geld vor allem eines. Zeit. Zeit, die dir für das Fotografieren verloren geht. Oder du machst das eben Abends - so wie ich jetzt. Das muss man mögen.
Meine bisherige Erfahrung zeigt mir, das es in Ausnahmefällen funktioniert. In der Regel aber eher nicht. Also überlege dir, ob du einen täglichen Aufwand von 2-3 Stunden betreiben und ein Invest von mehreren hundert Euro monatlich tätigen willst. Für etwas, dessen Ausgang ungewiss ist und eher dem Werfen einer Münze entspricht. Ich weiß, es wird dir anders versprochen. Aber es wird eben auch nirgends
so viel gelogen, wie auf den genannten Plattformen. Ein Blick hinter die Fassaden wird dir aufzeigen, wieviel Show und Blabla dahintersteckt.
3 AUTOFOKUS UND SERIENBILDGESCHWINDIGKEIT
Vielleicht sollte ich fairerweise noch die MEGAPIXEL nennen.
Wirklich viel hat sich in den vergangenen fünf bis zehn Jahren im Bereich der Fotografie nicht mehr getan. Die Welt bewegende Neuheiten gab es nicht und wird es auch so schnell nicht geben. Im Gegenteil. Die analoge Fotografie steht hoch im Kurs. SLR sind mittlerweile eine echte Wertanlage und Objektive aus den 60er und 70er Jahren erleben eine wahre Renaissance. Gut erhaltene f/1.2 gehen für über 300 Euro über den Ladentisch.
Eher kommen exorbitant teure Kameramodelle, welche spartanisch ausgestattet sind und "nur" 26 MP ihr eigen nennen, auf den Markt. Suggeriert wird damit die Möglichkeit, Bilder sofort in der Kamera bearbeiten zu können. So what? Wofür hast du einen 21 Zoll Bildschirm zu Hause? Warum willst du Bilder auf einem fuzzeligen Minibildschirm bearbeiten, der kleiner als der deines Handy's ist? Und das für 3.000 Euro Ladenpreis?
Warum gibst du viel Geld für einen ultraschnellen Autofokus aus, um dir danach ein manuell fokussierendes Objektiv zu kaufen, weil dir das Objektiv, das mit dem superschnellen Autofokus deiner Kamera kompatibel ist, mit 1.500 Euro (bisweilen teuerer als die Kamera selbst) zu teuer ist? Das macht nicht wirklich Sinn. Bei der Geschwindigkeitsoptimierung der modernen Autofokusse - oder sagt man Foken? - reden wir von tausendstel Sekunden, dem Bruchteil eines Wimpernschlages. Brauchst du das? Wirklich? Glaubst du, dass mit einem Augenautofokus alles besser wird. Das es das Bild beruhigt, dich entschleunigt, weniger Nachbearbeitungen erforderlich werden und automatisch jedes mit deinem Auge fokussiertes Objekt knackescharf ist? Nein, ist es nicht. Es macht das Arbeiten nicht wirklich einfacher und entbindet dich nicht von der Sorgfaltspflicht, exakt zu fokussieren und eine entsprechende Bildkomposition zu gestalten.
Wozu brauchst du 30 Bilder in der Sekunde? Nicht nur, dass auf diese Art und Weise die Speicherkarte schneller voll ist, als du gucken kannst, sondern du musst alle Bilder ganz genau auf Lightroom oder dem elendig langsamen Luminar Ai anschauen, auswählen, verschieben, katalogisieren und bearbeiten. Besser wäre es doch, sich genau Gedanken über das zu machen, was du eigentlich aufnehmen willst und dann mit 3-8 Bildern den richtigen Treffer zu haben.
Und dann die Megapixel. Ich schrieb ja schon darüber. 12 MP sind in aller Regel genug. Ok, wenn du noch etwas "croppen" musst/ willst, sind 26 oder 30 MP nicht verkehrt. Aber jedes weitere Megapixel kostet gleich mal einen Hunderter mehr. Das muss dann als Berufsfotograf mit den entsprechenden Aufträgen in Relation stehen. Wenn du mit einem von zehn Aufträgen diese Investitionskosten wieder hereinholst (ROI), dann ist die Kaufentscheidung für einen 100 MP kein Thema mehr. Gelingt dir das jedoch nicht und es gelingt von 10.000 einem Einzigen, dann spare dir das Geld und fahre lieber in den Urlaub - nimm aber die Kamera mit.
©Jürgen Pagel 2021 LICHTWERK.DESIGN
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