Ein Konzept zum Fotografieren

Jürgen Pagel

Ein Guide für Anfänger - die ersten Schritte

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Eines vorneweg: Ich gendere nicht. Nicht, weil ich gendern doof finde oder dessen Feind bin, sondern einfach deshalb, weil es das Schreiben unnötig verkompliziert. Wenn ich also „vom Fotografen“ schreibe, dürfen sich alle Geschlechter und solche, die sich als was auch immer empfinden, angesprochen fühlen.

Nachtrag: Hab's vergessen ;-). Alles, was du brauchst, gibt es Gebraucht im Netz (beispielsweise Ebay). Das kann eine gebrauchte Nikon Z6II oder eine Fujifilm X-T4 sein zzgl. ein gebrauchtes Objektiv (Standardzoom, Kitobjektiv, 50er bzw. 35er Festbrennweite). Beides zusammen bekommst du unter bzw. um die 1.000 Euro. Für den Einstieg vollkommen ausreichend und du wirst dennoch lange Freude daran haben, weil die Sensoren sind nach wie vor Top, die Technik auf einem guten Level und die Objektiv absolut brauchbar. Auf jeden Fall wirst du mit so einer Ausrüstung einen sicheren und schnellen Einstieg finden.




Ich bin mir bewusst, dass Themen wie „welche Kamera soll ich kaufen?“, „die Kamera ist egal – der Fotograf macht die Bilder“ u.ä. ausgiebig teils kontrovers diskutiert wurden und werden. Dennoch werden diese Fragen nahezu täglich gestellt. Sie bewegen die Gemüter und führen je nach Antwort zu falschen Kaufentscheidungen, suboptimalen Herangehensweisen und hinterlassen nicht selten Frust und Enttäuschung. Häufig artet das in technischen Diskussionen aus, mit denen der Anfänger nichts anzufangen weiß – zumindest noch nicht und selbst zu einem späteren Zeitpinkt sind diese eher hinderlich als nutzbringend.

In Anlehnung an meinen Blogartikel https://www.lichtwerk.design/ist-die-kamera-egal möchte ich an dieser Stelle das Thema noch einmal dezidiert aufgreifen, um gerade den Anfängern in der Fotografie den Einstieg leichter zu machen.

Gibt es ein Konzept für die Fotografie?
Ein Konzept ist ein klar umrissener Plan, eine Strategie, ein Programm, wie man an etwas herangeht. Solche Konzepte gibt es für die Fotografie tatsächlich. Ob sie jedoch falsch oder richtig sind, das zu beurteilen mag ich mir nicht anmaßen. Ich lasse nicht gelten, wenn jemand sagt, dass er seit 30 Jahren fotografiert und deshalb allein auf Grund dieser Erfahrung ein Konzept hat. Jemand kann 30 Jahre fotografieren und hat sich noch nie Gedanken darüber gemacht, ob seine Vorgehensweise richtig oder falsch ist. Man kann lange fotografieren und ist dennoch auf dem Level des Einsteigers geblieben. Dem gegenüber gibt es sicher Fotografen, die erst seit sechs Jahren in dem Metier tätig sind, durchaus erfolgreich Aufträge fotografieren und sich in der Szene einen Namen gemacht haben – also angeblich nicht über ausreichend Erfahrungen verfügen, um mitreden zu können.

Die Herangehensweise an die Fotografie ist demzufolge maßgeblich und entscheidend.

Warum fotografierst du, was treibt dich an? Siehst du die Fotografie als Hobby, als Zeitvertreib gegen Langeweile? Fotografierst du, um zu entspannen oder stecken berufliche Absichten dahinter? Bist du ein Fotograf, der berufliche Aufträge ausführt oder einer, der ab und zu die Kamera in die Hand nimmt, um seine Familie, seinen Hund oder seine Katze fotografiert (Hunde und Katzen gehen immer und tragen stets zur Freude des Betrachters bei)?
Diese Fragen nach dem warum sind für Anfänger nur schwer zu beantworten. Gerade zu Beginn der Fotografie wissen die meisten Besitzer einer Kamera gar nicht, wohin die Reise führen wird. Dennoch wird diese Frage immer wieder gestellt und eine Antwort erwartet. Wird das Ergebnis doch in der Regel dazu genutzt, eine Empfehlung für eine bestimmte Kamera und deren Objektive auszusprechen.
Bist du mehr der Landschaftsfotograf? Dann wird dir gerne ein Stativ, eine DSLR oder eine DSLM sowie ein Weitwinkelobjektiv empfohlen. Bist du mehr der Street-Shooter? Dann geht die Empfehlung eher Richtung einer Kompaktkamera mit einem fest verbauten 28-35mm Objektiv Kleinbildäquivalent (APS-C 18-24mm). Beabsichtigst du eher in Richtung Portraits zu fotografieren, sollte es schon eine hochauflösende DSLM mit einem 85mm-Objektiv (APS-C 56mm) sein.
Du siehst also, dass je nach dem, was du am liebsten fotografieren möchtest, vollkommen unterschiedliche Ausstattungen erforderlich sein werden, die sich auch preislich erheblich voneinander unterscheiden (können).

Spätestens an diesem Punkt zieht dein Gegenüber die Karte: „Der Fotograf macht das Bild – die Kamera ist dabei egal“.

Wie bereits in dem o.g. Artikel ausgeführt, ist diese Aussage nicht falsch, aber eben auch nicht vollkommen richtig. Eine moderne DSLM wie die Fujifilm X-T4 oder eine Nikon Z6II erleichtert dir nicht nur den Einstieg, sondern auch das Fotografieren selbst maßgeblich. Moderne, schnelle Autofokussysteme, integrierte Belichtungsmessung, ein großer gut ablesbarer Bildschirm sowie helle Sucher ermöglichen dir ganz andere Vorgehensweisen als die einer mehr als 10 Jahre alten DSLR. Der Griff zu Marken wie Fujifilm, Sony und Nikon macht es gerade am Anfang deswegen einfacher, weil der Markt an Drittherstellern für günstige und dennoch gute Objektive bei weitem größer ist als der von Canon. Dennoch werden den meisten Anfängern stets Canon-Produkte empfohlen, die nicht nur beim Erstkauf deutlich teurer sind, sondern in der Folge auf Grund des eingeschränkten Objektivmarktes hohe Kosten produzieren. Gerade aber im APS-C-Bereich haben Fujifilm und Sony eine weitaus größere Erfahrung und längere Geschichte hinsichtlich Entwicklung und Qualität als Canon. Canon hat den Markt lange Zeit verschlafen und lässt sich seine durchaus erfolgreiche Aufholjagd teuer bezahlen.

Und genau deswegen ist die Wahl der Kamera eben nicht völlig egal. Moderne Technik kann helfen, einen leichteren Einstieg zu finden, weil die Ausschussrate bei den Bildern deutlich geringer ist als bei einer „alten“ digitalen Spiegelreflexkamera, für die es seit vielen Jahren weder Support noch Firmware-Updates gibt.

Mindestanforderungen an eine Kamera
Leider lässt sich ein Griff in die Technikkiste nicht vollständig vermeiden. 
Um nahezu alle Bereiche der Fotografie erfolgreich abdecken zu können, sollten Kameras für Einsteiger folgende Bedingungen erfüllen:
  • Autofokus mit Hybrid-System (mehr dazu in folgendem Artikel https://www.fotokoch.de/kamera-basiscs-autofokus-technologien-erklaert.html).
  • Systemkamera – Objektive lassen sich wechseln.
  • Möglichst viele frei belegbare Tasten und Funktionen.
  • Lange Akkulaufzeit – der Vorteil liegt dabei vor allem bei den Hybrid-Kameras, die auch für die Videografie geeignet sind.
  • Klappbares Display – die Art des Klappmechanismus ist dabei Geschmacksache. Ein Klappdisplay ermöglicht es, auch aus tiefen oder hohen Aufnahmepositionen, bequem Bilder zu machen, ohne sich auf den Boden legen oder auf eine Leiter steigen zu müssen.
  • Verschlusszeiten bis mind. 1/8.000 sowie eine native ISO von mindestens 200 (die meisten modernen Kameras verfügen über eine native ISO von 80-160).
  • Einen Hot-Shoe mit Mittelkontakt. Dieser ermöglicht die problemlose Verwendung von Aufsteckblitzen und gestattet auch eine Fernauslösung zum entfesselten Blitzen (also solche, die mittels Fernauslöser ausgelöst werden, ohne direkt auf der Kamera montiert zu sein).
  • Steuerkreuz (vereinfacht die schnelle Bedienung, ohne jedes Mal ins Menü gehen zu müssen).
  • Integrierte Wasserwaage.
  • Aufnahmen im JPEG- und im RAW-Format.
  • Steckkartenplatz für SD-Karten.
  • Ausgeprägter Handgriff. Nikon hat sich bei der Nikon Zf, Fujifilm bei der X-T50 beispielsweise für deutlich weniger ausgeprägte Griffe entschieden. Das hat v.a. designtechnische Gründe – die Kameras wirken schlanker, schmaler, dünner. Nutzer greifen jedoch dann auf Zubehör-Griffe beispielsweise von SmallRig zurück, weil die Kameras nicht gut in der Hand liegen und mit feuchten Fingern oder großen Objektiven kaum noch sicher zu halten sind. Ein zusätzlicher Kostenfaktor von 40-80 Euro. Außerdem fehlt der Platz für leistungsstärkere Akkus oder separat zugängliche Steckkartenplätze.
  • Mindestens 20-24 Megapixel Auflösung. Richtig ist, dass für einen DIN A4-Ausdruck auch eine 12MP kleine Smartphone-Aufnahme reicht. Richtig ist aber auch, dass du mit jedem Beschnitt einer Aufnahme an Auflösung verlierst. Je höher die Auflösung, desto mehr Möglichkeiten hast du in der Bildbearbeitung hinsichtlich des Beschneidens bzw. nachträglicher Veränderung des Bildformates.
So ausgerüstet bist du für die nächsten Jahre gewappnet und musst dir nicht nach einem oder zwei Jahren Gedanken über eine neue Kamera machen. Die Technik hält dir alle Türen und Tore offen, um dich qualitativ zu entwickeln und die Fotografie zu einer der schönsten Nebensachen dieser Welt werden zu lassen.

Die Marke spielt dabei nur hinsichtlich der zu verwendenden Objektive eine Rolle. Nikon, Fujifilm, Panasonic und Sony haben ihre Objektivanschlüsse (Mounts) für Dritthersteller nahezu ohne Einschränkungen geöffnet – führend sind derzeit Tamron, Sigma und Viltrox. Canon verhält sich weiterhin sehr zögerlich, um vor allem seinen eigenen Objektivreihen nicht das Wasser abzugraben und die Käufer einer Canon-Kamera sozusagen im Hause zu behalten.

Muss es Vollformat sein?
Oftmals lese ich in einschlägigen Foren die Empfehlung, sich eine Vollformatkamera zuzulegen, weil die Qualität besser und vor allem das Low-Light-Verhalten besser sei. Das ist mittlerweile so nicht mehr richtig.
  1. Es gibt unzählige Profi-Fotografen, die für Magazine, Prospekte, in der Produktfotografie und vor allem in der Landschaftsfotografie – da ist er wieder, der Spruch: der Fotograf macht das Bild, nicht die Kamera – überaus erfolgreich mit einem APS-C-Format unterwegs sind. Das folglich Profis immer mit Vollformat oder gar mit Mittelformat fotografieren, ist demzufolge falsch.
  2. Der Crop-Faktor des APS-C-Formates (1,5-1,6) hat Vorteile, weil eine Brennweite von 300 mm im Vollformat an einer Fujifilm X-H2 beispielsweise einer Brennweite von ca. 460 mm entspricht und sich dadurch das Objekt der Begierde deutlich näher heranholen lässt, ohne für ein größeres Teleobjektiv tief in die Tasche greifen zu müssen. Die dadurch entstehende etwas veränderte Bildwirkung darf man getrost vernachlässigen.
  3. APS-C- oder MFT-Kameras (letztere haben einen Crop-Faktor von 2,0) sind deutlich günstiger zu haben als ihre Vollformat-Pendanten.
  4. APS-C- oder MFT-Objektive sind in aller Regel deutlich günstiger (meist ca. 50%), als Vollformat-Objektive (Nikon Z 85mm f/1.8 ca. 700 Euro vs. Viltrox APS-C 85mm f/1.8 ca. 330 Euro), wobei ein natives Fujifilm 90mm f/2.0 auch mit nahezu 1.000 Euro zu Buche schlägt. Hier bietet vor allem der Drittherstellermarkt deutliche Alternativen.
  5. Selbst der Profi-Fotograf (also jemand, der mit der Fotografie seinen Kühlschrank füllt) vermag erfahrungsgemäß den Unterschied beim fertig bearbeiteten Bild zwischen Vollformat und APS-C nicht festzustellen. Entsprechende Tests haben das eindeutig bewiesen.
  6. Auch das angeblich bessere Rauschverhalten von Vollformat-Kameras spielt in Zeiten von Topaz AI oder dem Entrauschen-Modul von Lightroom keine wesentliche Rolle mehr. Mithilfe der KI-Funktionen lässt sich nahezu jedes Rauschen erfolgreich beseitigen, ohne die Qualität der Aufnahme negativ zu beeinflussen.
Statt also viel Geld für eine Vollformat-Kamera auszugeben, lohnt die Überlegung, dieses lieber in eine hochauflösende APS-C-Kamera zu investieren. Es gibt nur wenige Ausnahmen, in denen das Invest in eine Vollformatkamera mit 40 MP und mehr rentabel erscheint. Und das scheint mir ausnahmslos das Profisegment zu sein, v.a. wenn große Poster oder Plakate gedruckt werden müssen. Wobei hierbei die Auflösung das entscheidende Kriterium ist.

Selbst mit einer sogenannten Kompakten, wie der Ricoh GRIIIx bist du bestens bedient. Sie ist neuwertig für ca. 1.000 Euro zu haben und es gibt mittlerweile auch einige wenig genutzte gebrauchte Exemplare für unter 900 Euro.

Welche Objektive brauchst du?
Diesen Absatz solltest du nur lesen, wenn du dich für eine DSLR oder eine DSLM, also eine Kamera, bei der du das Objektiv wechseln kannst, entscheidest.

Festbrennweiten können eine Möglichkeit innerhalb eines fotografischen Konzeptes sein.
Dabei gilt es festzuhalten, dass mit jedem Objektiv alles fotografiert werden kann. Architektonische Details lassen sich mit einer 50mm-Brennweite genauso fotografieren, wie mit einem 18mm-Objektiv. Die Bildwirkung wird eine vollkommen andere sein. Aber das ist ein anderes Thema. Grundsätzlich geht alles.
Möchtest Du eine möglichst große Übersicht über das, was du fotografierst, bist du mit einem Weitwinkel-Objektiv gut bedient. Die Brennweiten reichen hierbei von 18 mm bis 35 mm (APS-C = 12 mm bis 24 mm).
Allrounder sind Bereiche um 50 mm Brennweite, weil sie der Sichtweise des menschlichen Auges nahkommen (APS-C = 35 mm). Brennweiten von 85 mm bis 135 mm werden dann eher der Portraitfotografie zugesprochen (APS-C = 56 mm bis 90 mm), was nicht bedeutet, dass du mit einem 35mm-Objektiv nicht auch Portraits fotografieren kannst. Nur die Bildwirkung wird eine andere sein.
Objektive mit Brennweiten über 85 mm werden auch als Teleobjektive bezeichnet und sind vor allem in der Wildlife-Fotografie beliebt. Die meisten Tiere gestatten keine Annäherung zur formatfüllenden Fotografie. Deswegen greifen Wildlife-Fotografen gerne auf Brennweiten jenseits der 200 mm (APS-C = 350 mm) zurück. Selbstverständlich kannst du auch mit einer Brennweite von 200 mm ein Portrait-Shooting machen. Allerdings bist du dann von deinem Model so weit entfernt, dass du dich nur noch mit Hilfe eines Megafons verständigen kannst ;-).

Meine Empfehlung hinsichtlich Festbrennweiten:
• 18 mm (APS-C 12 mm)
• 35 mm (APS-C 24 mm)
• 50 mm (APS-C 35 mm)
• 85 mm (APS-C 56 mm)

Damit bist du für den Anfang und darüber hinaus bezüglich der Brennweiten sehr gut ausgestattet. Wenn dir das zu Beginn der Fotografie zu teuer ist, dann entscheide dich für 50 mm Brennweite (APS-C 35 mm). Das ist ein echter Allrounder, der für nahezu jeden Zweck geeignet ist.
Verwendest du Festbrennweiten, musst du die notwendige Distanz zur formatfüllenden Fotografie zu Fuß überwinden. Bist du zu nahe dran, entferne dich und vergrößere die Distanz. Bist du zu weit weg, musst du dich ein paar Schritte nähern.
Für den Fall, dass du gehbehindert oder lauffaul bist, hat die Industrie das Zoom-Objektiv erfunden. Manchmal kannst du auf Grund von Hindernissen auch nicht näher ran oder weiter weg. Dann ergibt ein Zoom-Objektiv tatsächlich einen Sinn.
Zoom-Objektive hatten lange Zeit einen schlechten Ruf. Die Qualität war wenig überzeugend. Meist konnten sie nichts richtig. Weder im Nah- noch im Fernbereich war die Qualität hinsichtlich der Schärfeleistung so, wie man sich das für den hohen Preis vorgestellt hatte. Das gehört der Vergangenheit an. 
Beispielsweise überzeugen Zoom-Objektive von Tamron mit einer Range von 17-300 mm absolut und bieten eine gute bis sehr gute Schärfeleistung über den gesamten Zoom-Bereich.
Gerade für Anfänger kann das eine gute Alternative für die Festbrennweiten sein. Du fotografierst mit einem Zoom-Objektiv und nach ein paar Monaten schaust du in deine Exif-Daten, welche Brennweiten du bevorzugt hast. Draus kannst du dann Rückschlüsse ziehen, für welche Festbrennweite du dich entscheiden könntest.

Was muss ich bezüglich der Lichtstärke beachten?
Wir reden hier von der sogenannten Blendenöffnung. Je offener die Blende, um so mehr Licht fällt auf den Sensor. Kleine Blendenzahl (f/1.2, f/2.0, f/2.8 …) bedeutet große Öffnung, eine große Blendenzahl (f/8.0, f/11.0, f/16.0 …) bedeutet eine kleine Öffnung.
Vereinfacht lässt sich festhalten:
• Je größer die Blendenöffnung, desto unschärfer der Hintergrund und umso geringer die Schärfentiefe, also der Bereich, in dem ein Motiv scharf dargestellt wird.
• Je kleiner die Blendenöffnung, desto schärfer der Hintergrund und umso größer wird die Schärfentiefe bis hin zur vollständigen Schärfe über das gesamte Bild.
Ein unscharfer Hintergrund wird als Bokeh bezeichnet. Bist du also ein Bokeh-Fan und findest Bilder mit einem unscharfen und weichgezeichneten Hintergrund großartig, brauchst du Objektive mit einer Anfangsblende von mindestens f/1.8 bis f/2.8. Auch mit einer Blende von f/4.0 oder höher kannst du einen unscharfen Hintergrund erzeugen. Aber dann muss die Entfernung von deinem Motiv zum Hintergrund entsprechend groß sein. 

Bei den meisten (günstigeren) Zoom-Objektiven findest du eine Anfangsblende von beispielsweise f/2.8, f/3.5 oder f/4.0, die dann mit zunehmender Brennweite immer kleiner wird (f/6.5 oder auch mal f/8.0). Ob das für deinen Verwendungszweck ausreicht, ist schwer zu sagen. Im Wildlife-Bereich nimmt man das gerne in Kauf und geht dann auch mal mit der ISO in fünfstellige Regionen – besser ein verrauschtes Bild als gar keines. In der Portraitfotografie musst du mit einer Anfangsblende von f/4.0 schon eine große Distanz von deinem Motiv zum Hintergrund haben, um noch ein ansehnliches Bokeh erzeugen zu können.

Aber unter uns: das alles ist für den Anfänger nicht (ganz) so wichtig. Zu Beginn reicht das, was du mit dem Objektiv als Ausgangsmaterial (sprich Bild) bekommst meist vollkommen aus, um dich zu Üben.

Lichtstarke Objektive sind bauartbedingt teuer – wie übrigens die gesamte Fotografie. Falls dir jemand erzählt hat, dass dem nicht so ist, hat er gelogen oder keine Ahnung. Deswegen erscheint es mir durchaus sinnvoll, zunächst auf vierstellige Ausgaben bei den Objektiven zu verzichten und es Beginn der Fotografie mit den etwas lichtschwächeren Varianten zu belassen. Objektive sind Anschaffungen für immer – fürs Leben. Ich habe Objektive in meinem Fundus, die sind älter als ich.

Das Konzept
Profis fotografieren im manuellen Modus! Falsch. Vollkommen falsch. Profis fotografieren im Halbautomatik-Modus, weil es meist schnell gehen muss. Sie verwenden den A-Modus oder den S-Modus – sie priorisieren die Blende oder die Verschlusszeit.

Tu dir das nicht an, dich zu Beginn im manuellen Modus zu versuchen. Versuch macht zwar kluch (Klug, aber das reimt sich nicht), frustet jedoch auch schnell, wenn die gewünschten Ergebnisse keinesfalls gefallen.

Zu Beginn der Fotografie ist der A-Modus eine sehr gute Wahl. Das heißt, du priorisierst die Blende. Die kannst du in diesem Modus nämlich frei einstellen und die Kamera entscheidet über die dazu passende Verschlusszeit. Ist die zu gering, blinkt sie auf und du weißt, dass Verwackelungsgefahr herrscht. Haben deine Kamera (IBIS) oder/ und dein Objektiv (OBIS) eine elektronische Stabilisierung, kannst du eine bis zu 5 bzw. 6 Blendenstufen längere Verschlusszeit verwenden. Pauschal gilt: bei einem 50mm-Objektiv im Vollformat solltest du mindestens eine 1/50 Sekunde als Verschlusszeit wählen (bei APS-C entsprechen 50 mm Brennweite ca. 35 mm, also nicht 1/35, sondern 35 mm x Crop-Faktor 1,5, folglich ebenfalls 1/50 Sekunde).
Um ganz auf Nummer sicher zu gehen und eine Verwackelung auszuschließen, kannst du die ISO auf Automatik stellen. Dann entscheidet die Kamera, welche ISO in Bezug auf die Blende und die Verschlusszeit am besten ist. In aller Regel trifft hierbei die Kamera eine gute Entscheidung.

Ein weiterer Bestandteil des Anfänger-Konzeptes ist: Quantität von Qualität. Es geht darum, möglichst viele Bilder zu produzieren. Auch wenn es zu einem späteren Zeitpunkt darum geht, nicht jeden Sch… (eiß) zu fotografieren, ist es zu Beginn sehr wichtig und nahezu unerlässlich, genau das zu tun. Du hast deine Kamera immer und überall dabei und fotografierst, was das Zeug hält. Manches wird dir gefallen, anderes wiederum nicht. Speicherplatz ist sowohl in Bezug auf die SD-Karten wie auch auf deinem Computer längst kein Luxus mehr. Was dir nicht gefällt, löscht du wieder.
Auf diese Art und Weise sammelst du schnell Erfahrung und es wird sich im Laufe des ersten Jahres (ja, richtig gelesen – ein Jahr!) herauskristallisieren, was dir am meisten Spaß bereitet und in was du gut genug bist, um weiterzumachen. Und es zeigt dir Schwächen, an denen du arbeiten kannst (wenn du das willst). Das geht nur über die Masse. Also fange nicht zu früh an, selektiv zu arbeiten.

Vergesse die Technik und lasse dich auf keine technischen Diskussionen ein. Dabei kannst du als Anfänger nur verlieren. Zuhören und wahrnehmen ist ok. Aber mehr auch nicht. Leider verlieren sich viele Anfänger schnell in der Technik, verfallen dem G.A.S. (Gear Aquisition Syndrome), geben eine Menge Geld aus und vergessen dabei das Fotografieren. Am Ende besitzen sie nach zwei Jahren die neuesten Kameras und Objektive im Wert von mehreren tausend Euro – und haben gerade einmal 1.000 Bilder „geschossen“.

Schau dir die Bilder von anderen an. Gehe in Foto-Ausstellungen, Galerien oder gerne auch in diverse Foren in Facebook. Auch Instagram ist dazu gut geeignet. Verlinke dich mit Fotografen, deren Bilder dir gut gefallen oder deren Stil du für dich und deine Verhältnisse ansprechend findest. Dabei solltest du dir keine Bilder von der Nordsee anschauen, wenn du selbst im Ruhrgebiet wohnst – das bringt dich nicht weiter, weil di die Masse an Bildern von der Nordsee, selbst wenn dir die See gefällt, nicht erzeugen kannst. Du brauchst aber die Masse, um schnell und effektiv zu lernen.
Übe Kritik an den Bildern, überlege dir, was du anders gemacht hättest. Für dich. Im stillen Kämmerlein. Bitte nicht Kritik publizieren. Ohne jedwede Erfahrung nimmt das ohnehin niemand ernst und es steht dir m.E. auch nicht zu.

Besuche Workshops von Fotografen, die dich begeistern. Ein einziger Workshop kann dir mehr bringen als 50 YouTube-Videos. Wenn du dir YouTube-Videos anschaust, dann selektiere die Youtuber raus, die nur über Technik reden oder die ein Verkaufsziel gleich zu Beginn ihrer Videos kommunizieren. Gehe davon aus, dass der Spruch „ich kann hier vollkommen frei meine Meinung sagen, auch wenn ich die mir zugesandte Kamera behalten darf“ einfach nur gelogen ist. Wenn ich eine Kamera für 2.000 Euro oder ein Stativ für 400 Euro im Anschluss an mein Review behalten darf, werde ich nichts Schlechtes über so ein Produkt veröffentlichen wollen – das bin dem Gönner letztendlich schuldig. Ob man das will oder nicht. Es beeinflusst logisch die eigene Meinung.

Prüfe wer sich ewig bindet, ob er nicht was Besseres findet. Das gilt für den Kamera- genauso für den Objektivkauf. Lasse dich nicht von günstigen Angeboten verleiten, sofort ohne testen etwas zu kaufen, dass du nicht kennst. In den meisten Fällen kommt nach wenigen Monaten, manchmal schon nach Stunden, die Reue. Wenn du dich noch nicht im manuellen Fokussieren geübt hast, kaufe dir keine sogenannten Altgläser. Sie sind recht günstig zu haben. Aber auch hierbei werden sechzig Jahre alte Objektive für 100 Euro angeboten, die keinen Cent wert sind. Weil die Blenden verölt sind, der Fokusring schwergängig ist und die Blendeneinstellung nur sprunghaft funktioniert. Ohne sich eingehend mit der Materie befasst zu haben – Finger weg! Auch 100 Euro sind viel Geld. Noch einmal dreihundert obenauf und du bekommst ein großartiges Objektiv, das funktioniert.

Gebrauchte Kameras können ein echtes Schnäppchen sein. Aber ich würde mir das für später aufheben. Es gibt beim Gebrauchtkauf einiges zu beachten und du musst wirklich in der Technik stecken, um beurteilen zu können, ob das etwas für dich ist oder nicht. Eine Rückgabe ist beim Privatkauf sowieso ausgeschlossen und wenn etwas nicht funktioniert, wie es soll, ist der Ärger vorprogrammiert. Im schlimmsten Fall bist du tausend und mehr Euro ärmer und hast gerade nicht das, was du wolltest. Gehe in ein Fotofachgeschäft in deiner Nähe. Kaufe neu oder gebraucht vor Ort, lass dich beraten, teste, probiere aus und schau, ob das Objekt deiner Begierde in deine Hände passt und deinen Vorstellungen entspricht. Dabei kann dir der hoffentlich sach- und fachkundige Verkäufer wertvolle Tipps geben.

Arbeite mit kurz, mittel- und langfristigen Zielsetzungen. Eine sehr gute Möglichkeit dazu sind die INSPIRACLES von Bernhard Rauscher. Dabei handelt es sich um Aufgabenkarten, die dir bei der Entwicklung deines eigenen fotografischen Konzeptes helfen. Informationen dazu findest du unter anderen hier Inspiracles AMAZON.

So, wenn du es bis hierhin geschafft hast, steht dir die fotografische Welt offen. Überlege nicht zu viel, zerstreue eventuell vorhandene Bedenken und selbstverständlich kannst du mit jeder Art von Kamera loslegen. Auch ein Smartphone erfüllt den Zweck, wenn du dich bei dieser Art der Fotografie an ein paar Regeln hältst. 

©2024 Jürgen Pagel | Neunzehn58

Neunzehn58 Photographie

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